Handwerk Special 57 vom 11.09.1997


Eine Kiste beginnt zu leben

Handwerk haucht futuristischer Architektur Leben ein

"Wer wird wohl in diese blaue Scheune einziehen?" "Das Haus paßt nicht in unsere Umgebung." Oder: "Der Regenschirm auf Stahlstützen soll ein Dach sein?" Schauplatz der öffentlichen Diskussionen ist das vom Koblenzer Architekten Guido Jax entworfene dreieinhalbgeschossige Mehrfamilienhaus in der Arenberger Straße, in Koblenz-Niederberg. Das Baukasten Haus mit seiner eigenwilligen Fassade aus türkisfarben gestrichenem Putz und Holz, dem flachen Aluminiumdach und seinen Balkons aus Holz und Stahl hielt sogar in die örtliche Karnevalssitzung Einzug.

DieKisteinKO-Niederberg

Ralf Keßler aus Koblenz-Niederberg fand das Wachsen des Baus "unheimlich spannend". "Man konnte sehen wie eine einfache Kiste, aufgepeppt durch unterschiedliche Materialien, Formen und Farben, zu leben begann". "Dort möchte ich wohnen", stand für den jungen Mann bald fest. "Meine Lebensgefährtin Conny konnte ich schnell von den Qualitäten des Hauses überzeugen". Seit Dezember ‘96 haben die beiden gemeinsam mit Sohn Timo von ihrer 92 Quadratmeter Wohnung Besitz ergriffen.

Flur und Eßbereich sind Mittelpunkt in jeder der sieben Wohnungen im Haus. Alle Räume sind offen und licht konzipiert. Der Grundriß ermöglicht den Bewohnern, sich zurückzuziehen oder mittendrin zu sein. Es bleibt genügend Spielraum, eigene Wohnvorstellungen zu verwirklichen.

"Ein Haus nach den persönlichen Vorstellungen gestalten zu können, ist der absolute Wunschtraum eines jungen Architekten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Ein- oder Mehrfamilienhaus handelt", erzählt Guido Jax mit Begeisterung. Das Wohnhaus in Koblenz-Niederberg wurde als städtebauliche Initialmaßnahme konzipiert. Es markiert die Verbindung zwischen bereits bestehender Bebauung und einem geplanten Neubaugebiet. "Weil das Projekt aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde, mußten Kostenschranken eingehalten werden. Im Rahmen dieser Bedingungen konnte ich mich jedoch frei und zwanglos bewegen", so der Architekt.

"Kostengünstiges Bauen muß nicht langweilig sein. Außerdem wird man als Architekt ungeheuer diszipliniert, weil man mit Geld haushalten und sich etwas einfallen lassen muß", fügt er hinzu.

Er ließ sich etwas einfallen. Nach seinem Motto: Eine klare Architektur klärt den Geist, sind Einfachheit und klare Linienführung dominante Baumerkmale. Das Haus ist von kubischer Form. Beton und Holz verschmelzen zu einer Einheit und bleiben trotzdem eigenständig. Highlight ist die mit einer Vorsatzschale aus unbehandeltem Lärchenholz verkleidete Fassade, die den Blick fast magisch anzieht. "Immer mehr Bauherrn und Architekten besinnen sich auf Holzfassaden. Abgesehen von seinem wohltuendem optischen Reiz ist Holz ein Rohstoff, der bereits bei der Verarbeitung Energie spart und über ideale mechanische und bauphysikalische Eigenschaften verfügt", so Zimmermeister Raimund Spriestersbach von der Firma Wagner Holzbau GmbH aus Braubach. Fenster und Türen im Haus sind normierte, immer wieder kehrende Module. Auch alle Decken sind vorgefertigt, was das Verputzen erspart. "Supermodern und maßgeschneidert aus Aluminium mit Kunststoffbeschichtung ist das Dach. "Besonders das geringe Gewicht ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil dieses Baustoffs. Es spart eine aufwendige Unterkonstruktion", so Dachdeckermeister Markus Kemp aus Osterspai. Darüber hinaus hebt der Meister die lange Haltbarkeit solcher Dächer hervor. Optischer und funktionaler Geck ist der Schornstein aus Edelstahl, der für jedermann sichtbar seiner Aufgabe als Rauchgasrohr gerecht wird. "Er hat die gleichen Eigenschaften wie ein massiver Schornstein. Die Montage ist schnell und kostengünstig, weil ein aufwendiges Fundament überflüssig ist und die Verkleidung mit Mauerwerk entfällt. Schornsteine dieser Art gibt es in allen Ralfarben", so Wolfgang Weber, Niederlassungsleiter der Firma Fritz Hahn aus Polch.

"Architekten müssen das große Potential des Handwerks bereits bei der Planung berücksichtigen. Ein aufeinander abgestimmter Bauprozeß hilft Kosten und Zeit sparen", so Jax. Das Mehrfamilienhaus in Koblenz-Niederberg wird dem gerecht. Die Bauzeit betrug zwölf Monate. Die Kosten belaufen sich auf 2.400 DM/Quadratmeter statt der sonst höheren Quadratmeterpreise im Wohnungsbau.