Handwerk Special 59 vom 28.11.1997


Auftritt der Champions

Handwerk & Weltspitze

Ein Begriff machte im Kurfürstlichen Schloß Koblenz die Runde: "Hidden Champions". Er umschreibt Träume, Wünsche und Ziele eines jeden Unternehmers - auch die der mehr als 150 Teilnehmer des Mittelstandstages 1997, eingeladen durch den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Thema: Weltmarktführer und ihre Marktstrategien - die heimlichen Gewinner? Sie heißen "Hidden Champions", sind mit ihrem Angebot die Nummer eins, weltweit. Utopie für den handwerklichen Mittelstandsbetrieb an Rhein oder Nahe, in Eifel oder Westerwald? Keineswegs, denn "sie" sind längst unter uns. Firmen, die in den Top-Listen der Wirtschaft ganz oben stehen, in den globalen Wettbewerb eingestiegen sind, sich dort behaupten, doch deren Namen kaum bekannt sind.

Theo Fuhrländer
Ins Gespräch kamen auf dem Mittelstandstag (v.l.) "Rhein-Zeitung"-Verleger Walterpeter Twer, Karl Josef Wirges, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz sowie Unternehmensberater Prof. Dr. Hermann Simon. Theo Fuhrländer registriert auch wirtschaftlich Rückenwind: Platz acht im deutschen Markt. Seine Windkraftanlagen drehen sich ab 1998 auch in Indien.
Joachim Kozlowsli
Blick hinter die Werbekulissen: Mit der Herstellung, Installation und Wartung von Anlagen für eine rotierende Bandenwerbung hat die Neuwieder APA den europaweiten Markt erobert. Joachim Kozlowski und sein Unternehmen TE-KO-WE: Erfolgsduo auf dem Weg zum "Hidden Champion"?

So TE-KO-WE aus Neuwied: Das Handwerksunternehmen fertigt Verbundteile aus Stahl und Keramik und ist damit über deutsche Lande hinaus Spitze. Der Betrieb hat sich als Zulieferer einen Namen gemacht, in der Kundenliste stehen u.a. Unternehmen wie Focke - selbst ein "Hidden Champion". Diese Firma ist weltweit führend im Bau von Zigarettenverpakkungsmaschinen und verläßt sich in einem der sensibelsten Bereiche auf die Neuwieder Handwerker. Deren Bauteile sorgen dafür, daß sich in jeder Schachtel wirklich 20 Zigaretten wiederfinden - tagtäglich etliche Millionen mal, weltweit.

Werbung fürs Handwerk - Werbung durch das Handwerk: Europaweit führend in Sachen Werbemittelausstattung von Fußball- und Tennisveranstaltungen ist das Neuwieder Handwerksunternehmen APA. Dreht sich in Sportarenen die Bandenwerbung wie am Fließband, so sorgen meist die Neuwieder mit ihrem Rotosystem dafür - ob Bundesliga- oder Europapokal-Fußballspiele, ob ATP-Tennisturnier oder großformatige Städtewerbung. APA-Produkte sind weltweit im Einsatz - die größten Umsatzzuwächse erzielt das Unternehmen bereits heute im Exportgeschäft.

Eine Vorgehensweise, die Prof. Dr. Hermann Simon als Experte für Unternehmensstrategien auf dem Mittelstandstag lobt. Gerade in Hinblick auf den amerikanischen Markt, in den weniger als acht Prozent aller deutschen Exportwaren gehen, haben deutsche Unternehmen extremen Nachholbedarf. Zum Vergleich: Im europäischen Warenhandel bleiben 57,1 Prozent der deutschen Exportwaren. "Wer sich schwierigen Märkten in Übersee verschließt, wird auch hierzulande nicht die Nummer 1 bleiben. Wer sich dem Besten stellt und sich dort behauptet, wird der Beste!"

Hermann Simon weiß, wovon er spricht. Vor Jahren gründete er seine Unternehmensberatung "Simon/Kucher & Partners" und studierte weltweit die Arbeitsweise von "Hidden Champions" - den heimlichen Marktführern. Seine Erfahrung: Sie akzeptieren Märkte nicht, wie sie sind, sondern definieren sie selbst - über ihre Leistungen oder Produkte. Sie suchen mit ihrem Angebot die Tiefe, nicht die Breite - also die Konzentration auf wenige Produkte, die auf einem großen Markt vertrieben werden. Sie sind äußerst flexibel, bauen eine sehr enge Kundennähe auf und besitzen eine hohe Innovationsbereitschaft. Ein Beispiel: Bringt es Siemens als deutsches Spitzenunternehmen auf immerhin 10 Patente pro 100 Mitarbeiter, so hält jeder zweite Mitarbeiter eines guten "Hidden Champions" statistisch gesehen ein Patent - 20 bis 50 Patente pro 100 Mitarbeiter. Hermann Simon hat außerdem beobachtet: "Hidden Champions" scheuen nicht die lokale Konkurrenznähe, die sich leistungssteigernd auswirkt. Sie kennen Betriebsabläufe aus dem Eff-Eff und stellen oft genug sogar ihre eigenen Maschinen her, da nur diese einen hundertprozentig optimalen Produktionsablauf gewähren. "Die Unternehmensstrategie wird vom Endprodukt bestimmt, der Weg dahin ist sekundär." Voraussetzungen, die in vielen Bereichen gerade das Handwerk erfüllt. Den Hemmschuh für globale Umsätze deutscher Handwerker sieht nicht nur Prof. Simon in lokalen Marktansprüchen, die mittelständischen Betrieben personell und kapazitiv vertretbar erscheinen.

Theo Fuhrländer kennt diese Probleme, doch der Handwerker ist "sturmerprobt" und hat heute den Wind auch wirtschaftlich im Rücken: Sein Unternehmen aus dem Westerwälder Waigandshain baut Windkraftanlagen. In der nationalen Top-Liste findet sich sein Betrieb auf Platz acht wieder. Doch auch auf der internationalen Wirtschaftsdrehscheibe rotieren Fuhrländers Anlagen, in Österreich seit Jahren, im Frühjahr 1998 wird ein Firmen-Büro in Indien eröffnet. Iran, China und Japan stehen in der Wunschliste internationaler Abnehmer bei Theo Fuhrländer ganz oben, konkrete Verhandlungen laufen bereits.

Mit ihrem Engagement erkennt auch Minister Rainer Brüderle in solchen Handwerksunternehmen Garanten für eine erfolgreiche Zukunft der rheinland-pfälzischen Wirtschaft: Immerhin 98 Prozent aller Unternehmen im Lande zählen zum Mittelstand. Konjunkturdellen verkraften diese Betriebe besser, als Großunternehmen, "gebraucht werden heute keine großen, schwerfälligen Tanker, sondern schnelle, bewegliche Boote, die auch im konjunkturellen Flachwasser nicht auf Grund laufen." Und: "Heute schlägt nicht der Große den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen."