Handwerk Special 59 vom 28.11.1997


Tradition und Präzision im Fadenkreuz

Feuer frei: Außergewöhnliches Handwerk "Büchsenmacher"

Es gehört seit Menschengedenken zu den überlebensnotwendigen Grundmustern unseres Lebens, nicht nur zu sammeln, sondern auch zu jagen, schließlich zu schützen und zu verteidigen. Und Waffen gehörten stets dazu: Steinschleuder, Pfeil und Bogen, Armbrust. Das Schwarzpulver erweiterte die Vielfalt des Waffensortiments ganz erheblich und revolutionierte es: Aus der körperlich aufwendig zu bedienenden, unpräzisen Steinschleuder entwickelten sich Schußwaffen mit perfektem Verhältnis aus Präzision und Aufwand.

Hermann
Büchsenmachermeister Hermann Münzel: Pflicht zum sorgsamen Umgang mit der Waffe und Begeisterung an handwerklicher Tradition.

Präzision und Aufwand finden sich bis zum heutigen Tag nicht nur in den Waffen wieder, sondern auch in deren Herstellung, Reparatur und Wartung. Ein Beruf, der alle diese Anforderungen erfüllt, ist im Handwerk zu Hause. Zu seinem vielseitigen Berufsbild gehören heute nicht nur handwerkliche Fähigkeiten, sondern auch moralisches Verantwortungsbewußtsein. Über die lange Tradition und die Zukunft des seltenen Handwerks "Büchsenmacher".

Bogen und Armbrust sind die ersten technisch ausgereiften Waffen und somit die Vorläufer der Büchse. Im 11. Jahrhundert erfanden die Chinesen ein explosives Gemisch aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle, um ihre Freude an Feuerwerken zu frönen. Ende des 13. Jahrhunderts erkannten der englische Philosoph und Naturforscher Roger Bacon und der Gelehrte Albertus Magnus in der Mischung daraus das Geschoßtreibmittel für Handkanonen. Der Weg für eine ganze Palette neuer Handfeuerwaffen war geebnet und mit ihr die klassische Büchse und damit der Beruf des Büchsenmachers geboren. Er wurde Teil der fürstlichen Häfe und war selbst oft auch passionierter Jäger.

Wie man die Waffen auch nennen will - Schießeisen, Schießprügel, Feuerbüchse, Pulverfresser, Donnerbüchse, Muskete oder Schießgewehr - sie müssen alle, damals wie heute, gereinigt, gepflegt, montiert und vor allem erst einmal hergestellt werden.

Ob Sportgewehr, Jagdwaffe oder Pistole, ob Wartung, Reparatur oder Herstellung - Vielseitigkeit und 100prozentiger Kundenservice sichern dem Büchsenmacherhandwerk die Zukunft.

Hermann Münzel aus Koblenz ist jemand, der die Pflicht zum sorgsamen Umgang mit der Waffe und die Begeisterung an handwerklicher Tradition in einer Person vereint. Seit seinem 30. Lebensjahr ist der heute 70jährige Büchsenmachermeister Inhaber des Familienbetriebes Waffen Münzel, den der Vater vor über 70 Jahren gründete. In seinem Laden verkauft er Jagd- und Sportwaffen, Munition sowie Jagdausrüstungen bis zur Bekleidung - selbst edle, handverzierte Messer gehören zum Waffenrepertoire des Handwerkers aus Leidenschaft.

Neben einer Werkstatt und der Verkaufseinrichtung in der Koblenzer Innenstadt zählt eine eher außergewöhnliche Immobilie zu den "Geschäftsräumen" des Handwerkermeisters: Im Innenraum der "Neuen Moselbrücke" hat Hermann Münzel einen Schießstand eingerichtet, den seine Kunden und er selbst nutzen können. Dort werden die selbstgefertigten Unikate Marke "Münzel", aber auch Fremdfabrikate eingeschossen und ihre Präzision kontrolliert.

Das vielseitige Engagement, die gelungene Kombination aus Tradition und modernisierter Technik machen sich auch in seinem Kundenkreis bemerkbar. Stammkunden sogar aus dem Ausland, hauptsächlich aus der Schweiz und aus Holland, machen nicht nur den Koblenzer Büchsenmacher zu einem zuverlässigen Partner von Jägern und Schützen.

Für den Fortbestand seines seltenen Handwerks sorgt der Vorsitzende der Meisterprüfungskommission mit der regelmäßigen Einstellung von Lehrlingen: "Ich erwarte von meinen Lehrlingen, daß sie einen guten Hauptschulabschluß haben. Wichtig ist, daß ihr Führungszeugnis einwandfrei ist. Wir müssen sicher sein, daß die Jugendlichen eine gefestigte Persönlichkeit haben und mit den Waffen keinen Unsinn treiben. Die Arbeit an der Büchse erfordert viel handwerkliches Geschick, Genauigkeit und Feingefühl für Holz und Metall. Junge Leute mit diesen Eigenschaften zu finden, ist nicht immer ganz einfach", so Herrmann Münzel.

Die Zukunft der Büchsenmacher wird sicher nicht ganz einfach sein. Eine strengere Gesetzgebung und sich daraus ergebende Konsequenzen, weniger Waffen im Land zuzulassen, verstärkter Umweltschutz und die Billigkonkurrenz spezieller Warenhäuser, "Supermarktangebote" bis hin zu Dumpingpreisen des Versandgeschäftes erfordern ein Umdenken bei den Büchsenmachern. Gute Angebote, Teamarbeit mit anderen Handwerkern ihres Faches und der einmalige Service, für den Kunden als direkter Ansprechpartner da zu sein, werden den Büchsenmacher überlebens- und zukunftsfähig machen.