Handwerk Special 59 vom 28.11.1997


Gespräch zum Jahresende

"Es gehört sich nicht, albanisch zu fluchen!"

Seit nunmehr über 20 Jahren lädt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz, Karl-Jürgen Wilbert, ausländische Handwerker, die sich bei der HwK auf die Meisterprüfung vorbereiten, zu einem vorweihnachtlichen Gespräch ein. Dann spricht er mit ihnen über ihr Leben in der Bundesrepublik. Er fragt nach ihren Zukunftsplänen, Wünschen und Träumen. In diesem Jahr spricht er mit ihnen aber auch darüber, wie sie über die doppelte Staatsbürgerschaft, ihre Familie, ihren Beruf, ihre Freunde denken und was für sie Heimat bedeutet.

Die Gesprächspartner des Hauptgeschäftsführers sind diesmal: Die aus dem Kosovo stammenden Friseurinnen Ajete Ganijaj und Nebije Kuci, die jetzt in Rheinbrohl bzw. Neuwied wohnen, der iranische Radio- und Fernsehmechaniker Abbas Hosseini Malayeri aus Koblenz, der marokkanische Kfz-Mechaniker Mohamed Algarrafi aus Neuwied und der aus Mazedonien stammende Fahrzeuglackierer Salajdin Muaremi.

Weihnachtsgespräch
Er hat Tradition, der Gedankenaustausch des HwK-Hauptgeschäftsführers Karl-Jürgen Wilbert (l.) mit ausländischen Meisterschülern: (v.l.) Abbas Hosseini Malayeri (Iran), Nebije Kuci (Kosovo), Salajdin Muaremi (Mazedonien), Mohamed Algarrafi (Marokko).

Sie leben schon viele Jahre in Deutschland. Bis auf Abbas Hosseini, der sein Handwerk bereits in Persien erlernt hat, haben alle die deutsche Schule besucht und hier ihre Handwerkslehre erfolgreich beendet. Alle fühlen sich in Deutschland wohl, zumindest wollen sie, daß es so überkommt, haben deutsche Freunde, Abbas eine deutsche Frau gefunden. Sie wissen, daß es Ausländerhaß gibt, haben ihn aber persönlich nicht oder nur am Rande kennengelernt. Saladjin Muraemi, der in der Firma Werner Koopmann in Fernthal arbeitet, erzählt, daß es schon Kunden gibt, die, wenn sie seinen Namen auf dem Namensschild lesen, lieber nach dem Chef verlangen. Mohamid Algararafi meint, daß Fremdenfeindlichkeit eher im ländlichen Raum zu beobachten ist. "Das hat aber nichts mit Ausländerhaß zu tun", so Karl-Jürgen Wilbert. Er führt an, daß es auch bei Deutschen Probleme im Zusammenleben gibt, wenn man beispielsweise von der Stadt aufs Dorf zieht.

Was halten die Gesprächspartner von der doppelten Staatsbürgerschaft? "Ich hätte gern zwei Pässe", räumt Ajete ein, den jugoslawischen möchte ich für den deutschen nicht abgeben, undenkbar, daß ich dann für meine Heimat ein Visum benötige". Auf die Frage von Karl-Jürgen Wilbert, ob sie sich eher als Albanerin oder als Deutsche fühlt und in welcher Sprache sie träumt, antwortet sie spontan: "Ich bin Albanerin, aber ich spreche und fühle deutsch und albanisch und so träume ich auch. Und fluchen? "Fluchen nur deutsch, es gehört sich nicht, albanisch zu fluchen", lacht Ajete. Als Fünfjährige kam sie nach Deutschland. Ihre Eltern hätten damals immer Wert darauf gelegt, daß sie zu Hause albanisch spricht. "Es war ihnen wichtig, daß ich meine Muttersprache nicht vergesse." Nebije, ebenfalls Albanerin, stimmt dem zu. Sie spricht perfekt deutsch, zu Hause aber wegen der jüngeren Geschwister nur albanisch.

Wie steht der Mazedonier Salajadin zur doppelten Staatsbürgerschaft? "Ich lebe seit 1973 in Deutschland und hätte gern die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich fühle mich als deutscher Mitbürger, hier arbeite und lebe ich. Der deutsche Paß berechtigt mich, hier auch wählen zu können. Andererseits möchte ich auf meinen heimatlichen Paß nicht verzichten, weil ich zu meiner Herkunft stehe", so der 26jährige. Karl-Jürgen Wilbert gibt zu bedenken, daß es nichts bringt, wenn im Bereich der Staatsangehörigkeit zu liberal verfahren wird. "Wenn die Grenzen zu sehr geöffnet werden, kommen wir mit dem deutschen Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr zurecht. Ein Blick in die deutsche Geschichte zeigt, daß ein nicht funktionierender Arbeitsmarkt irgendwann zu gesellschaftlichen Problemen führt". Der Hauptgeschäftsführer räumt ein, daß er noch vor 10 Jahren anders darüber gedacht hat.

Der 34jährige Iraner Abbas Hosseini ist staatenlos. Er ist seit 1988 in Deutschland, hat politisches Asyl erhalten. "Meine Brüder sind auch hier, meine Mutter lebt in Schweden. Es war sehr teuer, damals das Land zu verlassen"; erinnert er sich mit traurigem Lächeln. "Wir haben alles verkauft", fügt er leise hinzu.

Als Kind marokkanischer Gastarbeiter kam Mohamed Algarrafi vor 14 Jahren nach Deutschland. "Ich fühle mich hier integriert, würde aber trotzdem nie eine Deutsche heiraten. Das geht nicht wegen der Religion", sagt er bestimmt. "Erstaunlich, daß Sie das so mit dem Kopf steuern", meint Karl-Jürgen Wilbert. "Es gibt Grundsätze. Als Moslem feiere ich ja auch kein Weihnachtsfest, obwohl ich weiß, was es für die Christen bedeutet."

Die Frage des Hauptgeschäftsführers, ob seine Gäste sich vorstellen können, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, verneinen die Gesprächspartner. Sie haben hier Wurzeln geschlagen. Alle wollen sie sich nach der Meisterprüfung in ihrem Handwerk selbständig machen. "Handwerk ist tolerant, auch als ausländischer Handwerksmeister wird man akzeptiert", so die übereinstimmende Begründung.