Handwerk Special 63 vom 02.09.1998


Auf dem Sprung nach Berlin

Mit Karl-Heinz Scherhag, MdB und Kfz-Meister, hinter die Bonner Politkulissen geschaut

Scherhag mit Nena
Karl-Heinz Scherhag mit Pop-Sängerin Nena.
Scherhag mit Bundeskanzler Dr. Kohl
Politischer Schulterschluß: Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und Karl-Heinz Scherhag.
Plenarsaal im Berliner Reichstag
Der neue Bundestag-Plenarsaal in Berlin soll im Frühjahr 1999 eröffnet werden.

Das Herz deutscher Politik liegt im Herzen der Stadt Bonn. Der lange Eugen, das Abgeordnetenhochhaus, trohnt am Rheinufer, in seinem langen Schatten liegt der Deutsche Bundestag. Noch hört man ihn hier schlagen, den Puls deutscher Politik. Doch der Umzug vom Rhein an die Spree ist längst beschlossen. Einer seiner Wege zur Arbeit wird dann für Karl-Heinz Scherhag länger. Der Koblenzer ist Handwerksmeister, Unternehmer, Präsident der Handwerkskammer Koblenz und Abgeordneter im Deutschen Bundestag des Wahlkreises 148. Den Sprung in die politische Bundesliga will er am 27. Septemberwieder schaffen: „Solange mir Politik Spaß macht, ich etwas erreiche und dies anerkannt und gewünscht wird, kandidiere ich für den Bundestag."

Erreicht hat er einiges in den vier Jahren seit 1994. Als einer von 672 Abgeordneten nahm er seinen Platz in der höchsten deutschen Volksvertretung ein, „der übrigens nicht festgelegt ist. Von Sitzung zu Sitzung und auch mittendrin kann man als Abgeordneter wechseln."

Morgens acht Uhr. Mit Karl-Heinz Scherhag geht es zu Fuß vom langen Eugen, in dem er in der 12. Etage sein etwa 12 qm großes Büro mit Rheinblick hat, zum Bundestag. Vor einer halben Stunde ist er in Bonn angekommen, eine Stunde vorher begann der Tag mit der Abfahrt in Koblenz-Güls, wo er wohnt.

Der Tag des Politikers Karl-Heinz Scherhag beginnt.

Im Bundestag. Es ist der letzte Sitzungstag vor der Sommerpause. Zum neuen „Bundesgrenzschutzgesetz" wird an diesem Vormittag abgestimmt, Tage vorher wurde ein französischer Polizist während der Fußball-WM von deutschen Hooligans lebensgefährlich verletzt. Die deutsche Regierung hat schnell darauf reagiert, und während in Frankreich weiter um die Weltmeisterschaft gespielt wird, hat die Bundestags-Mannschaft zum entscheidenden Offensiv-Paß ausgeholt. Klare Abstimmungssache auch für den Bundestagsabgeordneten Scherhag: Der Bundesgrenzschutz darf und soll mehr kontollieren.

Zur gleichen Thematik, aber ganz unpolitisch, äußert sich Scherhag gegenüber 40 Bürgern von der Mosel in einem Nebenraum des Bundestages. Die Gruppe ist früh am Morgen mit dem Bus gestartet, Ziel Bonn. Ihr Abgeordneter Karl-Heinz Scherhag empfängt die Politik-Interessierten und führt sie durch das Plenargebäude. Ein Heimspiel. Auch deshalb, weil er den Leuten aus der Seele spricht: „Gewalt und solchen, die sie ausüben, müssen wir entschieden begegnen. Dabei muß der familiären Erziehung mehr Bedeutung zukommen, denn hier liegt oft der Ursprung für eine kriminelle Laufbahn." Die älteren Moselaner nicken, viele haben selber Kinder aufgezogen. Genau wie Karl-Heinz Scherhag, verheiratet, ein Sohn und eine Tochter. Eine Stunde beantwortet Scherhag den Bürgern seines Wahlkreises 148 alle Fragen, die zur Politik genauso wie persönliche. Jede Woche kam in den vergangenen vier Jahren eine Besuchergruppe, mit fast 10.000 Menschen stand Scherhag so im Dialog. „Politik ist keine Geheimniskrämerei, ich will sie den Leuten als Bestandteil ihres Lebens zugänglich machen. Und Entscheidungen, die ich auch für sie treffe, besprechen und erklären."

Mittagspause. Bohnensuppe mit Würstchen bestellt er in der Bundestagskantine, die den Abgeordneten und ihren Gästen vorbehalten bleibt. Fotos, Interviews oder verbale Querschläge sind hier tabu. Das Verhältnis, so der Koblenzer, wird außerhalb des Plenarsaales auch von persönlichen Sympathien geprägt. „Mit einer Reihe vonSPDlern, Grünen oder FDPlern bin ich genauso bekannt, wie mit CDU-Abgeordneten." Mit den meisten ist er per „Du", parteiübergreifend.

Mit dem mittäglichen Waffenstillstand in der Kantine ist es vorbei, Scherhag sitzt wieder im Plenarsaal. Der Bundeskanzler spricht zur Entwicklung der deutschen Einheit und ist nicht zimperlich, als es um die Vergangenheit geht. „Einige von Ihnen müssen ihre Reden von damals vergraben, weil sie sich dafür schämen müssen." Zwischenrufe derer, die angesprochen sind. Überraschung über den Umgangston? Karl-Heinz Scherhag empfindet ihn längst als normalen Bestandteil einer „Kultur der politischen Auseinandersetzung", bei der es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen.

Spätestens beim Bier abends redet man ganz anders miteinander. Stimmt sie also doch, die Sage, Bundestägler würden sich auch mal abends zum parteiübergreifenden Pils treffen? „Klar, wir sind normale Menschen, und ob Hamburg, München oder Koblenz - in den Biergärten dort sit-zen die Leute doch auch zusammen und unterhalten sich, Freunde wie auch Arbeitskollegen." Kommunikation und Informationsaustausch wird auch im Bundestag groß geschrieben. An diesem Tag geht es um die Niederschrift mit der Nummer 11.000. 11.000 Anträge in vier Jahren. „Das ist zuviel, wir müssen uns mehr auf das Wesentliche konzentrieren", mahnt Scherhag die Aktenflut.

Später Nachmittag. Ein SWF-Fernsehteam will über ein Rhein-Tunnelprojekt aus dem Büro Scherhag berichten, in das der zuständige Bürgermeister gekommen ist und die Idee vorstellt. Gelder aus Bonn werden gebraucht. Scherhag wird das Projekt mit Parteifreund Matthias Wissmann, Bundesverkehrsminister, besprechen. Den richtigen Draht zu Ministern hat er nicht zuletzt deshalb, weil seine offene Art bei Polit-Kollegen wie auch den „normalen" Menschen auf der Straße gut ankommt. Und weil er weiß, wann es sich lohnt, sich für etwas einzusetzen.

Sein Einsatz an vorderster Polit-Front für diesen Tag: 14 Stunden Arbeit. Kurz vor 22 Uhr geht´s in die wohlverdiente Sommerpause. Die Bonner Politik hat ihm Urlaub gegeben, doch Zuhause warten 100 Tage Wahlkampf. Und auch im Gülser Autohaus gibt´s noch einiges zu tun. Mit Ehefrau Helga will Karl-Heinz Scherhag wenigstens ein paar Tage in den Urlaub fahren. Wohin weiß er noch nicht.

Unser Mann in Bonn und Berlin
1994 als CDU-Kandidat des Wahlkreises 148 in den Bun-destag gewählt, nutzte Karl-Heinz Scherhag die politische Chance und arbeitete in mehreren wichtigen Bundesausschüssen mit. So ist er Mitglied des Wirtschaftsausschusses, stellvertretendes Mitglied des Finanzausschusses und des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Technologie. Außerdem hat Scherhag in wichtigen Ausschüssen mitgewirkt, so im ERP (Finanzmittelausschuß) und Regionale Wirtschaftsförderung.