Handwerk Special 66 vom 27.01.1999


Aus Erde geformt

Lehmbau verbindet traditionelle Bautechniken und moderne Wohnansprüche

Lehmbau
Traditionell werden in einigen Ländern auch heute noch ganze Häuser aus Lehm gebaut. Das Bild zeigt ein Wohnhaus in Argentinien, an dem der Koblenzer Gerd Meurer während seiner „Wanderjahre" durch Südamerika mitgearbeitet hat.

Wer denkt bei Lehm nicht zuerst an eine schlammige Angelegenheit. Lehm und Wasser - das ergibt einen herrlichen Matsch, phantastisch zum Kneten und plastischen Gestalten.

Es wurde gerührt, geformt, gestampft und geworfen. Kinder empfinden Lehm nicht als Dreck, sondern als herrliches Baumaterial. Nichts anderes ist Lehm. Er zählt zu den ältesten Baustoffen der Welt. Die chinesische Mauer oder Städte wie Babylon und Jericho sind prominente Beispiele dafür.

Lehmgeschichte

Seit mehr als 9.000 Jahren ist der Lehmbau bekannt. Früher war Lehm als billiger Baustoff weit verbreitet. Wollte jemand ein Haus bauen, hob er mit dem Spaten eine Grube aus, vermischte den Dreck mit Wasser, formte daraus Steine und ließ sie in der Sonne trocknen. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts geriet Lehm zunehmend aus der Mode. Maschinell gefertigte Baustoffe traten an seine Stelle. Zwar wurde in Deutschland nach den zwei Weltkriegen, als Energie und Baustoffe knapp waren, wieder mit Lehm gearbeitet, die Lehmbauordnung aber 1971 aufgrund mangelnden Interesses ersatzlos aus der deutschen Gesetzeslandschaft gestrichen.

Seit wenigen Jahren wird Lehm von ökologisch orientierten Bauherrn und Architekten wiederentdeckt. Im Kopf die Forderung nach einem sanfterem Umgang mit der Natur, im Herzen den Wunsch nach Häusern aus gesunden, natürlichen Materialien - so stießen Baufachleute auf die Lehmfährte und entdeckten altbewährte und haltbare Techniken wieder, hauchten einer Tradition neues Leben ein. „Lehm ist fast überall verfügbar und naturbelassen. Er besteht aus nichts weiter als Ton, vermischt mit Sand. Die Lehmmischung wird zu Lehmsteinen weiterverarbeitet, auf Staken und Geflecht aufgeworfen, in Schalungen gestampft oder als Putz verwendet", erläutert der Lehmbauer Gerd Meurer aus Koblenz. Er verweist auf eine Untersuchung der Universität Kassel, nach der die relative Luftfeuchte in Lehmhäusern das ganze Jahr zwischen 45 und 55 Prozent liegt. „Dieser Idealwert erzeugt ein äußerst angenehmes und gesundes Wohnklima, verhindert die Austrocknung der Schleimhäute, reduziert die Feinstaubbildung und wirkt vorbeugend gegen Erkältungskrankheiten und Allergien. Ein Wohnraum, der mit Lehm gestaltet wurde, kann atmen", erklärt Meurer.

Der gelernte Feinmechaniker hat seine Fachkompetenz im Umgang mit dem natürlichen Baustoff in zahlreichen Seminaren und praktischen Lehrzeiten, unter anderem in Argentinien beim Bau einer Hotelanlage aus Lehm, erworben. Seit 1996 ist er mit einer Ausnahmegenehmigung für das Maurerhandwerk, Lehmbau, selbständig. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die denkmalgerechte Sanierung und Restaurierung von Fachwerkhäusern sowie die Anwendung aller Lehmbautechniken mit den dazugehörigen Putzen im Neubau.

Ökologischer Ausbau

Jüngstes Beispiel dafür ist ein Einfamilienhaus in Winden/Westerwald. Ein „gesundes" Haus, einen Bau, der nicht nach Chemie riecht, wünschten Ute und Peter Kröner für sich und ihre drei Kinder. Der Innenausbau sollte nach ökologischen Prinzipien erfolgen. Das Konzept von Gerd Meurer, den sie auf der MESSE AM RHEIN: Handwerksmesse Koblenz 1995 kennenlernten, überzeugte die Bauherrn.

50 Tonnen Lehmputz wurden im Neubau verarbeitet. „Wir spritzen Lehmputz auf allen üblichen Untergründen wie Mischmauerwerk, Beton, Heraklith-Platten oder Schilfrohr maschinell auf. Durch ein Flächengewicht von 45 kg/m² wirkt ein zweilagiger Lehmputz als Luftfeuchteregulator. Das Material, das aus Erde, Sand und Stroh besteht, ist dampfdiffussionsoffen und wirkt hervorragend als Wärmespeicher", so Meurer. Farbige Lehmfeinputze, so in Elfenbein-weiß und Römisch-ocker sowie Glanzputze auf mineralischer Basis ermöglichen eine künstlerische, rein natürliche Raumgestaltung.

„Der enge Kontakt, die Sinnenfreude zum entstehenden Produkt, der erdige Geruch als Berge von Schlamm auf dem Fußboden lagen, war unbeschreiblich", erinnert sich der Bauherr an die Zeit des Verputzens.

Unter der Internet-Adresse http://www.lehmbau.com stellt die Firma von Gerd Meurer, „Natürliches Bauen", ihr Know-how interessierten Bauherrn, Handwerkern und Architekten auf einer eigenen Homepage zur Verfügung. Auch mit der Nutzung dieses Informationsmediums tritt Meurer den Beweis an: Lehm gehört die Zukunft, den Bauherren, die mit ihm arbeiten, ebenso.

Auch auf der MESSE AM RHEIN: Handwerksmesse Koblenz, ...
... die vom 7. bis 13. Mai 1999 auf dem Messegelände am Wallersheimer Kreisel stattfinden wird, wird der Bereich Denkmalpflege und Restaurierung historischer Bauten sowie das ökologische Bauen einen festen Platz in den Hallen 3 und 4 haben.
Im Ausstellungsbereich der HwK-Beratung (Halle 4) werden zusammen mit dem Arbeitskreis Denkmalpflege vielfältige Möglichkeiten einer fachgerechten Aufarbeitung alter Bausubstanzen präsentiert. Ob Erhalt historischer Fenster, Türen oder Fachwerke und Bodenbeläge, die Farbmischung nach „überlieferter Rezeptur" oder Zugriff auf den Bestand denkmalgeschützter Bauten via Datenbank - Besitzer alter Gebäude, Handwerker oder Architekten erhalten alle Informationen zum Thema „Denkmalpflege und Restaurierung". Ergänzt wird der Messeauftritt durch tägliche Fachvorträge im Umgang mit Lehm, Holz und der Bauwerkserhaltung.

In Halle 3 wird das Unternehmen von Gerd Meurer „Natürliches Bauen" den Besuchern Rede und Antwort stehen.
Messe-Infos unter
Tel.: 0261/398-130, Fax: -997, E-Mail: messe@hwk-koblenz.de

Lehmbauseminar
Vom 8. bis 12. März findet im HwK-Zentrum für Restaurierung und Denkmalpflege in Herrstein ein Lehmbauseminar statt. Lehmbauweise und ihre praktische Umsetzung wird vermittelt, ebenso Lehmuntersuchungen. Lehmbewurf als Putz und Gefachfüllung ist ein weiterer Schwerpunkt.

Informationen zum Lehmbauseminar und zu allen Fragen rund um das Thema Denkmalpflege und Restaurierung gibt die HwK-Beratung,
Tel.: 06785/9731-760, Fax: -769, E-Mail: herrst@hwk-koblenz.de