Handwerk Special Nr. 76 vom 16. August 2000 - page 9

1906: Planungen für eigenes Kammergebäude nehmen Form an.
Als Bauplätze an der Riz-
zastraße und am Kaiser-
Wilhelm-Ring angeboten
werden, konkretisieren
sich die Pläne für ein eige-
nes Kammergebäude. Eine
Vollversammlung be-
schließt, dafür eine Sum-
me von 85.000 Mark zu
genehmigen. Man ent-
scheidet sich für das
Grundstück an der Rizza-
straße und die Pläne des
Architekten Reich.
Dichter Nebel ringsum, feinste
Tröpfchen legen sich auf alles,
was durch diese Nebelwand
dringt, bedecken die Oberflä-
che gleichmäßig. Und kaum ist
die Nebelzone verlassen, ist al-
les wieder trocken. - Eifel. Al-
lerdings nicht das Wetter in
dieser reizvollen Landschaft,
sondern patentierteHigh-tech-
Maschinen aus einem Famili-
enbetrieb sind gemeint.
Maschinen zum Lackieren und
Imprägnieren von Oberflächen
aus Holz, Edelstahl oder Kunst-
stoffen: Sie kommen aus der
Ideenschmiede von Schiele
Maschinenbau, einem Famili-
enbetrieb in Niederzissen, der
Lösungen anbietet, die indivi-
duell an die Kundenerforder-
nisse angepasst werden.
Vacumat heißt das Prinzip der
innovativen Maschinengenera-
tion, die eine sichere, verlust-
freie und damit umweltgerech-
te Lackierung garantiert: Un-
terdruck verwirbelt in der
Applikationskammer den Lack
zum Farbnebel, durch den das
Werkstück transportiert wird.
Beim Austritt strömt angesaug-
te Luft am Profil entlang, die
den Lack homogenisiert und
Überschüsse, von der Luft wie-
der getrennt, im Lacktank sam-
melt und dem Kreislauf gefil-
tert zuführt. Ein Prinzip, das
auch mit lösungsmittelfreien
Lacken funktioniert.
Seit den 1960er Jahren arbeitete
der Unternehmensgründer Jo-
sef Schiele (1932-93) an Anla-
gen zur Holzimprägnierung.
Trotz seines Abschlusses als
staatlich geprüfter Landwirt be-
schäftigte ihn die Maschinen-
pflege im Agrarbereich mehr
als Ackerbau und Viehzucht.
Bis Anfang der 70er Jahre han-
delte Schiele mit Landmaschi-
nen, war in seinen Gedanken
aber immer alsKonstrukteur und
Maschinenbauer tätig.
Das Grundprinzip für die heuti-
gen Anlagen stammt aus den
späten 20er Jahren; in Schwe-
den entwickelt, diente es zum
Imprägnieren vonSchuhsohlen.
Wiederentdeckt und weiterent-
wickelt in der Eifel (nach dem
Nach den neuesten Bestimmungen zu Umweltschutz
und Arbeitssicherheit ist die Schweißerwerkstatt einge-
richtet, in der auch Edelstähle verarbeitet werden.
Bauen und vermarkten die patentierte Vacumat-Tech-
nologie: Stefan Schiele und seine Schwester Birgit
Motto: „In gesunder Natur kön-
nen gesunde Ideen reifen“),
macht es Schiele Maschinen-
bau zum Weltmarktführer in
Entwicklung, Bau, Vertrieb und
Inbetriebnahme von Impräg-
niermaschinen.
Zu den Kunden gehören rund
um den Globus im Holzbereich
dieHersteller vonKüchen, Fen-
stern und Türen oder von Profil-
brettern, aber auch die Metall-
röhrenindustrie und Zulieferer
aus dem Kunststoffbereich, die
Profil- und Griffleisten etwa für
die Möbelindustrie fertigen.
Geleitet wird das Eifeler Unter-
nehmen seit 1992 von Maschi-
nenbaumeister Stefan Schiele
und seiner Schwester Birgit
Gros, die für den betriebswirt-
schaftlichenTeil verantwortlich
zeichnet. Zu den 35 Mitarbei-
tern zählen zwei Meister (plus
ein Meisteranwärter) und acht
Lehrlinge. Weiterbildung wird
hier groß geschrieben, ob im
Schweißbereich, in Speicher-
programmierbarer Steuerung
(SPS) oder im Arbeitsschutz -
denn das Schweißen von Edel-
stählen beispielsweise erfordert
nicht nur entsprechende Ab-
saugvorrichtungen, sondern
auch qualifizierte Sicherheits-
fachkräfte.
Der Schiele-Betrieb ist so aus-
gestattet, dass dort alle Arbeits-
schritte ausgeführt und alle Tei-
le im Haus selbst bearbeitet
werden könnten. Aus Rentabi-
litätsgründen arbeitet man aber
etwa in der CNC-Fertigung mit
Partnerbetrieben zusammen.
Technisch auf dem neuesten
Stand zu sein, ist für die Schieles
selbstverständlich: „Vater war
seinerzeit einer der ersten, die
Die Fotografen Articus und Röttgen aus Hillscheid
bannten das Schiele-Team auf Zelluloid: acht Lehrlinge
als „Stifte“, und einen Gesellen als ihren „Anspitzer“.
sich ein Faxgerät zulegten“, er-
innert sich Birgit Gros. „Und
unsere erste CAD-Anlage ging
bereits 1987 inBetrieb“, ergänzt
Stefan Schiele.
Natürlich präsentieren sich die
patenten Handwerker auch im
betriebsinternes Intranet, mit
dem jeder Mitarbeiter und Ar-
beitsplatz verbunden ist. Die
Onlinewelt gewinnt immermehr
an Bedeutung: Kundenkontak-
te entstehen darüber neu, das
Händlernetz mit Service- und
Verschleißteilbestellung ist hier
verfügbar. Abschlüsse zur Lie-
ferung von neuen Imprägnier-
undLackiermaschinen dagegen
erfolgen im persönlichen Kon-
takt: „Wir passen unsere Ma-
schinen individuell auf die
Einsatzbedingungen bei unse-
ren Kunden an“, erläutert Mei-
ster Schiele. In einem eigenen
„Technikum“ ist nicht nur die
Entwicklungsabteilung zuHau-
se, hier können sich Interessen-
ten die Funktionsweise vorfüh-
ren lassen und über die otpimale
Anpassung an ihre eigenen An-
forderungen diskutieren.
Ausnahme-Handwerker Josef Schiele
Josef Schiele und sein patentier-
ter Imprägmat von 1974.
Josef Schiele (1932-93) konn-
te „zwar keine ordnungsge-
mäße Lehrzeit imMaschinen-
bauerhandwerk nachweisen“,
heißt es 1979 in der Begrün-
dung der HwK für die Ertei-
lung der unbefristeten Aus-
nahmebewilligung zum Ein-
trag in die Handwerksrolle:
„Insgesamt ist er (...) ca. 22
Jahre immetallverarbeitenden
Handwerk tätig und
arbeitete (...) bei der
Firma Lanz in Mann-
heim als hochqualifi-
zierte Fachkraft im
Versuch und in der
Entwicklung von Ma-
schinen und Geräten.
Außerdem hat er mit
Erfolg an den Semi-
naren der Handwerks-
kammer für Unterneh-
mensführung teilge-
nommen. Wir haben
seinen Betrieb (...)
mehrmals besucht und konn-
ten uns davon überzeugen, daß
Herr Schiele ein hohes Maß
an fachlichem Können und
Wissen besitzt. Dieswird auch
daraus deutlich, daß er bisher
insgesamt 27 Patente bzw. Ge-
brauchsmuster angemeldet
hat. Den Maschinenbau führt
er ausschließlich nach eige-
nen Patenten aus.“
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