Handwerk im Winter vom 15. Dezember 2001 - page 7

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Aktuelle HwK-Weiterbildung: Öl- und Gasfeuerung ab 9. März 2002 in
Teilzeit, Dauer ca. 3 Wochen / Infos: HwK Koblenz,
Tel. 0261/398-113
Tarik Alan, 25 Jah-
re, Gas- und
Wasserinstalla-
teurlehrling
aus Hahn-
stätten, Aus-
bildungsbe-
trieb: Ahr-
t a l -Ha u s -
technik
Hahnstätten
„Ich bin Türke, in
Deutschland gebo-
ren. Ich habe eine türkische
Freundin und zwei Kinder. Auslän-
derfeindlichkeit habe ich nicht zu
spüren bekommen. Wir leben nach
keiner Religion, weil wir aus eigenem
Erleben wissen, wie fanatisch Glau-
bensfehden ausgetragen werden.
Zu unseren Eltern, die auch in
Deutschland leben, haben wir keinen
Kontakt, weil sie gegen unsere Lie-
be sind. Meine Familie glaubt an den
Propheten Mohamed, die Eltern mei-
ner Freundin an den Propheten Ali.
Meine Eltern hätten eher eine
Christin akzeptiert als eineAliwi.An-
fangs waren wir alle sehr traurig, jetzt
ist es, wie es ist.
Wir haben viele deutsche Freunde.
Unsere Kinder bekommen Geschen-
ke zu Weihnachten. Sie sind hier zu
Hause und sollen „mitreden“ können.
Wer in Deutschland lebt, muss auch
um die Bräuche und Tradition im
Land wissen.“
Nachdenkliches vor Weihnachten: Ausländische Handwerker im Gespräch
mit HwK-Hauptgeschäftsführer Karl-Jürgen Wilbert
Steckbrief: HwK-Weihnachtsgespräch
Seit 25 Jahren lädt HwK-Hauptgeschäftsführer Karl-Jürgen Wilbert ausländische
Handwerker ein, die bei der HwK Koblenz ihren Meistervorbereitungskurs oder
Weiterbildungslehrgänge absolvieren, um mit ihnen Gedanken, Ansichten und Er-
wartungen auszutauschen. Info-Tel.: 0261/398-161, E-Mail:
„Die Sprache, in der
ich denke, ist Deutsch“
Gastgeber Karl-JürgenWilbert (rechts)
und Stuckateurmeister in spe Veysel
Oral während des Weihnachts-
gesprächs: Auch das Zusammenleben
verschiedener Religionsgemeinschaften
in einem Land war mit Blick auf den
Terror des 11. Septembers Gesprächs-
thema.
„In Deutschland fühle ich mich
zuhause. Ich denke deutsch,
brauche im Kopf nichts zu
übersetzen“, erzählt der
türkische Stuckateur-
meister in spe Veysel
Oral aus Herschbach.
Er gehört zu den Gä-
sten, die Karl-Jürgen
Wilbert, HwK-Hauptge-
schäftsführer, zu einem
vorweihnachtlichen Ge-
spräch eingeladen hat.
Mittlerweile ist es zu einer guten Tra-
dition geworden, dass sich der Haupt-
geschäftsführer mit ausländischen
Handwerkern, die sich bei der HwK
auf die Meisterprüfung vorbereiten
oder in Deutschland Fortbildungs-
kurse besuchen, über ihre Probleme,
Sorgen aber auch Freuden unterhält.
In diesem Jahr macht er das zum 25.
Mal. Und in diesem Jahr ist es ihm
angesichts der Terroranschläge auf
die USA ein besonderes Anliegen zu
erfahren, wie Moslems und Christen
miteinander umgehen. Wie geht
es weiter? Er fragt wie dieAus-
länder die politischen aber
auch alltäglichen
Ereignisse
bewerten. Und wie sie zur Frage der
Staatsbürgerschaft stehen.
Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt.
Ist doch gerade die Zeit, in der die
wärmenden Lichter angehen, auch
eine Zeit der Besinnlichkeit, des
Nachdenkens.
Geboren ist Veysel Oral in Hani/Süd-
ostanatolien. SeinVater kam 1972 als
Gastarbeiter nach Deutschland. Die
Familie folgte sieben Jahre später.
Durch einen Verkehrsunfall verstarb
der Vater 1981.
„Eine schwere Zeit.
Ich war damals 9
Jahre alt. Meine
Mutter stand
plötzlich mit
uns sie-
ben Kindern allein
da“, erinnert sich Vey-
sel. Noch heute ist er be-
troffen, wenn er zurück
denkt.
Er ist aber auch stolz auf seine Mut-
ter, die ihn und seine sechs Geschwis-
tern imAlter zwischen sechs und 14
Jahren allein großgezogen hat. Die
Kinder haben die deutsche Schule
besucht und deutsche Freunde gefun-
den. „Da waren auch gute Nachbarn,
die uns in dieser schweren Zeit ge-
holfen haben“, betont er.
Ausländerfeindlichkeit hat die Fami-
lie Oral nie zu spüren be-
kommen, auch nicht
nach demTerroran-
schlag auf die
USA. „Die
Lehre des Is-
lams wurde
durch die Ter-
roristen verge-
waltigt. Der Islam
basiert in seinen Wur-
zeln auf demAlten Tes-
tament. Das 5. Gebot:
„Du sollst nicht tö-
ten“ gilt auch für
Moslems. Die radi-
kale Auslegung des
Islams
durch
Islamisten ist niemals
zu rechtfertigen. Das
sind in meinenAugenVerbre-
cher.“
Oral Veysel weiß noch nicht, ob er
mit dem Meisterbrief den Sprung in
die Selbstständigkeit wagt. „Die Zei-
ten im Bausektor sind im Moment
nicht besonders rosig für einen
Existenzgründer“, meint er. Er
wünscht sich jedoch eines Tages „be-
sondere Dienstleistungen im
Stuckateurhandwerk“ anbieten zu
können. „Restaurieren von Kirchen
und Schlössern, außen und innen -
das würde mich reizen.“ In die Tür-
kei fährt der 28-jährige regelmäßig in
den Urlaub. Dort hat er auch seine
Frau kennen gelernt, mit der er seit
zwei Jahren in Herschbach lebt. „Ich
lerne mit ihr Deutsch. Um sich in ei-
nem Land heimisch zu fühlen, muss
man die Sprache können“, betont er.
Seine Töchter, 16 und 4Monate jung,
sollen zweisprachig aufwachsen. Mit
Hinblick auf das naheWeihnachtsfest
ergänzt er: „Auch wenn es ein christ-
liches Fest ist, werden meine Kinder
einen Weihnachtsbaum erleben und
kleine Geschenke bekommen - auch
das ist eine Form der Integration.“
Meister in spe:
Zahlen um den „Brief“
Bei der Handwerkskammer Ko-
blenz bereiten sich zur Zeit ca.
1000 junge Handwerker auf ihre
Meis-terprüfung vor, rund vier
Prozent davon sind ausländischer
Herkunft und wollen sich mit dem
Meisterbrief in Deutschland selbst-
ständig machen.
Informationen zur Meistervor-
bereitung bei der HwK-Meister-
akademie unter Tel.: 0261/398-
400, Fax: -990, E-Mail:
Internet:
Die nächsten
Meisterkurse
Meistervorbereitung Teile III und
IV ab 7.1.2002, Vollzeit (Montag
bis Freitag), Koblenz, Dauer: ca. 10
Wochen
Meistervorbereitung Teile III und
IV (Crash-Kurs) ab 11.04.2002,
Vollzeit (Montag bis Samstag),
Rheinbrohl, Dauer: ca. 7 Wochen
Infos und Anmeldung bei der
HwK-Meisterakademie: Tel.:
0261/398-400, Fax: -990
Mal was
Neues zum
Fest: Tassen und
Kannen aus der Weihnachtsaus-
stellung in der Galerie Handwerk.
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14
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