Handwerk Special Nr. 92 vom 12. März 2003 - page 10

Dauerhafte Qualität statt schneller Schnäppchen
Stimmen und Fakten zum Thema „Preisnachlass“ - das Handwerk setzte schon immer auf faire Preise
Konzepte zur Kundenbindung
12. März 2003
Nr. 92
Handwerksmesse Koblenz
MESSE AM RHEIN:
29. April bis 5. Mai
Geiz ist geil! Diese Formel
der Werber ist landläufig be-
kannt. Wer will schon den
vollen Preis für Waren oder
Dienstleistungen bezahlen?
Wir haben Inhaber von
Handwerksbetrieben in der
Region befragt, was sie vom
aktuellen Schnäppchenjagd-
Fieber halten.
Gerade für das Handwerk stellt
sich die Frage, ob sich alles nur
übers Geld, über möglichst sat-
te Rabatte regeln lässt, ob Dum-
pingpreise auf Teufel komm
raus imzunehmend hartenWett-
bewerb dauerhaft Erfolg ver-
sprechen. Wenn nein, welche
anderen Möglichkeiten
aber hat dasHandwerk,
Kunden zu gewin-
nen bzw. zu
binden?
Übereinstimmend erklären
beispielsweise die Obermeister
der zum Baugewerbe zählen-
den Innungen, bei Angeboten
sei kaum noch Spielraum für
Preissenkungen. „Die Preise
sind schon so ausgereizt, dass
Rabatte oder Nachlässe für uns
kein Thema sind“, so Karl-
HeinzBischoff,Obermeister der
DachdeckerinnungMittelrhein.
Trotzdem versuchen Auftrag-
geber weiterhin ihr Glück, wird
bei den auf Ausschreibungen
folgenden Vergabegesprächen,
wie Christoph Hansen, Ober-
meister der Elektroinnung Mit-
telrhein, beklagt, teilweise gar
mehrfach versucht, Nachlässe
herauszuschlagen, „und das bei
Preisen, die häufig am Rande
der Existenz kalkuliert sind. Lei-
der gibt es mittlerweile einige
Kollegen, die unter dem Druck
des Marktes halt alles tun, um
überhaupt an Aufträge zu kom-
men. Das führt zu vollkomme-
nen Verzerrungen und dazu,
dass Leistungen letztlich zum
Nulltarif erbracht werden. Ge-
nau das aber ist einer der Grün-
de für die schlechte Eigen-
kapitallage im Handwerk.“
Ganz neu sei der Kampf um
Preise,meint Hansen, allerdings
nicht. „Ich führe jetzt unser Un-
ternehmen in Koblenz in der
dritten Generation und kann
mich schon an Klagen meines
Großvaters erinnern über Leu-
te, die die Preise zu drücken
versuchten.“ Gegen einen ge-
sunden Preisvergleich sei auch
durchaus nichts einzuwenden,
„aber waswir zur
Zeit erleben,
sind einfach
negative
Aus-
kommentiert er und verweist
auf ein daraus resultierendes
lukratives Nebengeschäft, die
Zusammenarbeit mit einem
Fachverlag, da seineEnt-
wicklung für das
ganze Hand-
werk interes-
sant ist.
Aber selbst
wenn’s kaum
schnelllebige
Schnäppchen
gibt, müssen
die Kunden
von Christian
Weimbs nicht auf
günstige Angebote
verzichten. Möglich
macht es eine Ein-
kaufsgemeinschaftmit
80 anderen Betrieben
ähnlicher Größenord-
nung. Über diese Angebote in-
formiert regelmäßig ein Kata-
log. Überhaupt setzt Weimbs
auf Kooperationen, die auch
gewerkeübergreifend ausgelegt
sind. Deshalb gibt es bei ihm
Böden vom Estrich bis zumBe-
lag aus einer Hand. Jüngstes
Beispiel für eine solche Koope-
ration ist die neue Firma Blauth
& Weimbs GmbH, die in Ko-
blenz eine „Bad- und Fliesen-
stadt” realisiert hat und gezielt
die Zusammenarbeit mit Archi-
tekten sucht. Der nächste Schritt
ist bereits geplant: eine neue
Servicefirma, in der 14 Gewer-
ke zusammenarbeiten.
Auf Kundenpflege durch Qua-
lität und Service setzten ebenso
dieNahrungsmittelhandwerker,
die Bäcker und Fleischer, ver-
wöhnen ihreKunden zudemmit
günstigen Angeboten oder
Treuerabatten. An die guten al-
ten Rabattmärkchen erinnert
etwa die „Brotkarte“ bei Bäcker
Karl’s Backhaus. Wer bei ihm,
beispielsweise in seiner Filiale
in Weißenthurm, zehn Brote
kauft und deren Erwerb abstem-
peln lässt, kann das elfte gratis
genießen.
In den 18 Filialen der Mühlen-
bäckerei Jung gibt’s beim Kauf
von fünf Backwaren einer Sor-
te, obBrötchen, Sahnetorte oder
Brot, die sechste umsonst dazu,
und in der Kastellauner Filiale
der Fleischerei Scheid erhält der
Kunde dank „Burgstadt-Card”
bei allenEinkäufen ab fünf Euro
zwei Prozent Preisnachlass.
Im April 2002 startete die
HwK Koblenz eine Image-
aktion für Handwerksbetriebe
im Internet, mit der die Chan-
cen und Möglichkeiten dieses
Mediums gezeigt und Hand-
werksbetriebe motiviert wer-
Webseite des Jahres auf der Messe
den, sich mit einem eigenen Internet-Auftritt zu präsentieren.
Wöchentlich werden seitdem besonders gute Internetauftritte un-
ter
vo
rgestellt undmit demWebhandwerker
der Woche prämiert: Für die HwK-Jury keine leichte Aufgabe, aus
der Vielzahl der guten Bewerbungen eine Auswahl zu treffen, aber
Anlass genug, denWettbewerb jetztmit einer Sonderausschreibung
zu toppen: Auf der Handwerksmesse Koblenz wird die „Webseite
des Jahres“ aus allen bis zum 7. April zur „Webseite der Woche“
gewählten Internetauftritten prämiert. Wer sich mit seinem On-
line-Auftritt noch nicht beworben hat, sollte dies schnellstens
nachholen. Weitere Infos unter E-Mail:
Messe-Info-Tel.:
0261/398-131
Christian Weimbs und Ehefrau Monika halten nichts
von Dumpingpreis-Aktionen. Sie setzen auf Qualitäts-
produkte zu dauerhaft scharf kalkulierten Preisen.
blühungen
einer freien
M a r k t -
wirtschaft“. Lässt sich über die
Preisgestaltung nur noch wenig
machen, bleiben demHandwerk
immerhin andere Möglichkei-
ten. Die betont FriedhelmFried-
rich, Obermeister der Tischler-
innung Mittelrhein und Be-
triebsinhaber in Liesenich.
Friedrich: „Ich gebe keine Ra-
batte, da wir von vornherein
einen fairen Preis machen, den
der Kunde auch akzeptiert.“Der
Kunde wisse, dass er dafür auch
qualitätvolle Leistung bekom-
me. „Die meisten lassen sich
von demArgument überzeugen:
Besser einMehr anQualität und
Dienstleistung als ein Minus im
Preis, weil das unterm Strich
für sie günstiger ist“, erklärt
Friedrich. „Wer versucht, seine
Aufträge auf Dauer regelrecht
zu kaufen, nur um die nötige
Masse zu haben, ist ein poten-
zieller Insolvenz-Kandidat.“
Wenig von Billig-Schnäppchen
und „Schnellschüssen“ hält
gleichfalls Fliegenlegermeister
ChristianWeimbs. Er setzt eben-
falls auf Qualitätsprodukte zu
dauerhaft günstigen Konditio-
nen und auf Service, bei dem
auch Nacht- und Wochenend-
arbeit inbegriffen sein muss.
„Die ganze Branche ist im Um-
bruch. Wer da nicht flexibel ist,
kann sich auf Dauer nicht hal-
ten.“ Dass die aktuelle Flaute
im Baubereich an seinem Be-
trieb bisher vorüberging, führt
Weimbs vor allemauf die Kom-
bination von Handwerk und
Handel in seinemUnternehmen
zurück, aber auch auf die mit-
tel- und langfristige Akquise
von Aufträgen. Eine von ihm
und einem Steuerberater entwi-
ckeltePersonalsoftware hilft da-
bei. „Wir sind eben innovativ“,
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