Handwerk im Herbst vom 11.10.2003


Ja, wir sind die Meister von morgen!

Von Gesichtern und Geschichten hinter dem Meisterbrief

Christian Christ, Iddy Uwimana und Holger Schock (v.li.)
Christian Christ, Iddy Uwimana und Holger Schock (v.li.)Susanne und Markus Höpp
Susanne und Markus Höpp
André Behm
André Behm
Andrea Landvogt und ihre Familie: Sie unterstützt mich voll und ganz.
Andrea Landvogt und ihre Familie: Sie unterstützt mich voll und ganz.
Ralf Wucherpfennig
Ralf Wucherpfennig
Jana Fettig
Jana Fettig

Er ist 30 cm breit, 42 cm hoch und wiegt nur 150 Gramm. Vom Papier her ein Leichtgewicht, doch inhaltlich gehört er zu den Schwergewichten deutscher Wirtschaftsgeschichte: der Meisterbrief im Handwerk. Er verbindet Fachkompetenz mit theoretischem Wissen. Arbeitspädagogik gehört genauso zu seinen Inhalten wie betriebswirtschaftliches Wissen oder eben die Perfektion handwerklicher Arbeit. Jahr für Jahr sind es über 700 Handwerker, die für ihren Meisterbrief Zeit und Geld investieren und die Schulbank der HwK-Meisterakademie drücken. Mit dem Meisterbrief verbinden sie berufliche Perspektiven und persönliche Träume. Wer sind die Gesichter hinter dem Meisterbrief, im Betrieb und auch privat? Welche Ziele haben junge Handwerker, die zur Zeit die Meistervorbereitung absolvieren? Es sind kleine Geschichten um und mit dem Meisterbrief, die einige Überraschungen bereit halten...

„Es ist für uns ein großes Stück Verantwortung, dass wir künftig im Familienunternehmen übernehmen werden“, wissen die Geschwister Susanne und Markus Höpp, die sich zur Zeit bei der HwK Koblenz auf ihre Meisterprüfung im Tischlerhandwerk vorbereiten. Im Meisterbrief sehen sie die Grundlage, um als Unternehmer erfolgreich zu sein – eine Perspektive, die ihnen quasi mit in die Wiege gelegt wurde. „Wenn man einen Betrieb in der neunten Generation weiterführt, wenn man weiß, dass die eigenen Vorfahren dieses Vermächtnis über 200 Jahre erfolgreich bewahrt haben, geht man sehr sorgsam mit der eigenen beruflichen Qualifikation um.“ Der 1780 gegründete Betrieb ist der älteste Tischlerbetrieb Hessens – und den werden die beiden Höpps in die Zukunft führen. Im Zusammenspiel der verschiedenen Teile – ob Arbeitspädagogik, rechtliche oder betriebswirtschaftliche Komponenten – sehen die 23-jährige Susanne und ihr drei Jahre älterer Bruder den großen Vorteil im Meisterbrief, „den man auch in anderen Handwerksberufen nicht in Frage stellen sollte!“

Handwerkliche Meisterschaft

Als Fußballspieler seines Landes kann Iddy Uwimana auf sportliche Erfolge verweisen, nun will er sie auch im Handwerk erreichen. Als ehemaliger Fußballnationalspieler Ruandas schoss er sieben Tore, heute büffelt er für den Meisterbrief als Kfz-Technikermeister im Meistervorbereitungskurs der Handwerkskammer Koblenz. „Ich bin über ein Stipendium nach Deutschland gekommen, habe hier meinen Beruf von der Pike auf gelernt. Nun will ich Handwerksmeister werden – das wäre die Krönung meiner beruflichen Laufbahn.“ Sein größter Wunsch, den er sich mit dem Titel verwirklichen möchte: „Ein Unternehmen zu gründen wäre ein Traum!“ Stehvermögen

Befragt man Holger Schock nach seinen zwei wichtigsten Zielen, die er zur Zeit verfolgt und für die er viel Energie einsetzt, lautet die Antwort: „Den Meisterbrief im Kfz-Handwerk erreichen und im Marathon unter vier Stunden bleiben.“ Das setzt Stehvermögen voraus, sowohl in beruflicher wie auch sportlicher Hinsicht. „Für beides muss man viel tun und es ist oft nicht ganz einfach, Training, Lernen und Wettkampf unter einen Hut zu bekommen.“ Tagsüber widmet er sich dem beruflichen Fortkommen, abends geht er laufen. „Eine eigentlich ideale Kombination, denn nach der Kopfarbeit ist die sportliche Herausforderung eine gute Abwechslung.“

Auf Meisterkurs

Rein fachlich kann ihm kaum jemand was vormachen,denn er hat bereits einen Titel in der Tasche: Christian Christ ist Bundessieger im Praktischen Leistungswettbewerb der Kfz-Mechaniker 2002. „Und doch lerne ich im Meistervorbereitungskurs der HwK jeden Tag etwas dazu. Gute Vorbereitung ist die richtige Voraussetzung für die Arbeit als Unternehmer.“ Christian Christ weiß, wovon er redet: Sein Vater führt als Handwerksmeister selbst einen Betrieb, den er übernehmen wird. „Ich habe Einblick in das Unternehmen und weiß, wie wichtig eine gründliche Vorbereitung beispielsweise in betriebswirtschaftlichen Fragen ist.“

Meister mit Ampere und Volt

Für André Behm und Ralf Wucherpfennig heißt es zur Zeit: büffeln in der Welt von Ampere, Ohm und Volt. Die beiden Elektrotechniker stellen im Meistervorbereitungskurs der HwK Koblenz beruflich die Weichen. „Für mich ist er die Chance, als Soldat in den Reihen der Bundeswehr Karriere zu machen. Dabei geht es mir nicht nur um ein höheres Gehalt und einen besseren Dienstgrad – es ist auch eine persönliche Befriedigung, eine Erweiterung des Wissens, wenn man es schafft“ nennt André Behm die Gründe, die für den Meisterbrief sprechen. Ähnlich sieht das Ralf Wucherpfennig: „Ich will beruflich weiterkommen.Der Meisterbrief ist für mich eine Qualifikation im Handwerk, die für hohes fachliches Wissen steht und sich durchgesetzt hat. Ich denke, dass sich mit dem Meisterbrief meine Karrierechancen er-
heblich verbessern.“

Fünf Kinder

Was sie mit ihren Kindern teilt ist, dass alle die Schulbank drücken: Andrea Landvogt ist Mutter von fünf Kindern und macht sich zur Zeit für die Meisterprüfung als Friseurin fit. „Es ist eine logistische Herausforderung, die man meistern muss, wenn Familie, Qualifizierung und Beruf unter einen Hut gebracht werden müssen.“ Dass sich die Mühen lohnen, ist sie sich sicher: „Ich werde ein Unternehmen weiterführen und bin auf Grund meiner Berufserfahrung handwerklich fit. Doch wenn man in der Meistervorbereitung die anderen Teile, die zur Meisterprüfung im theoretischen Teil dazu gehören, kennen lernt, erkennt man sehr schnell deren Wichtigkeit. Ein Friseur muss nicht nur im Umgang mit Fön und Schere eine gute Figur machen, sondern auch als Unternehmer und Ausbilder. Und hier ist das Wissen eines Handwerksmeisters durch nichts zu ersetzen!“

Doppelte Herausforderung

Die Meisterprüfung im praktischen Teil hat Jana Fettig jüngst geschafft – eine besondere Leistung, denn die Mutter von zwei Kindern bekam während des Meistervorbereitungslehrgangs ihr drittes Kind. „Ich habe trotz der Schwangerschaft weiter gemacht und nur 14 Tage nach der Geburt pausiert.“ Die Entbehrungen wurden ihr mit guten Prüfungsergebnissen versüßt, und haben ihr viel persönliche Bestätigung gegeben. Die politische Diskussion um den Meisterbrief in ihrem Handwerk als Voraussetzung für die Führung eines Betriebes versteht sie nicht: „Wie sich das manche Politiker vorstellen, weiß ich nicht. Wer einen Herrenhaarschnitt gelernt hat, kann sich als Friseur selbstständig machen, einen Betrieb führen und ausbilden? Meine persönliche Meinung kann deshalb nur lauten: Es gibt keine Alternative zum Meisterbrief!“