Handwerk Special 97 vom 07.02.2004


„Mehr Steuerentlastung können wir uns gar nicht leisten!“

Finanzminister Gernot Mittler bei der HwK im Dialog mit Handwerkern

Auf Einladung der HwK Koblenz (links im Bild deren Präsident Karl-Heinz Scherhag und rechts Hauptgeschäftsführer Dr. h.c. Karl-Jürgen Wilbert) stellte sich Finanzminister Gernot Mittler den Fragen der Handwerker.
Volles Haus beim Handwerk: Das Interesse der Handwerker, sich mit dem Finanzminister auszutauschen, war groß. Es war der Auftakt einer Reihe wirtschaftspolitischer Gespräche zwischen Politik und Handwerk.

Nein, populistisch waren seine Antworten auf die Fragen der Handwerker beim wirtschaftspolitischen Frühstück in der Handwerkskammer Koblenz nicht, denn auf die Frage nach politischen Maßnahmen zur stärkeren Steuer- und Abgabenentlastung des Mittelstandes antwortete der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler (SPD): „Eine weitere Steuersenkung ist kurzfristig nicht machbar, dass würde den Staat finanziell in eine ernste Schräglage bringen.“ Ausführlich und kompetent gab der Minister einen einführenden Überblick über die aktuelle finanzpolitische Großwetterlage und beantwortete anschließend über zwei Stunden die Fragen der Handwerker, anschließend stand er „Handwerk special“ für ein Exklusiv-Interview zur Verfügung. Dabei erläuterte Gernot Mittler unter anderem, warum er die Banken mahnt, Basel II nicht für einen Rückzug aus dem Kreditvergabegeschäft für Mittelständler zu nutzen, und wie der dienstälteste Finanzminister Deutschlands die Herausforderungen seines Amtes persönlich beurteilt.

Herr Minister, Sie haben sich den nicht immer angenehmen Fragen der Handwerker gestellt. Wie wichtig ist Ihnen der Meinungsaustausch? Was nehmen Sie aus einer solchen Runde mit?

Mittler: Man muss miteinander reden – je direkter, desto besser. Gerade wer mit Geld zu tun hat, braucht Informationen aus ers-ter Hand. Ich schätze deshalb den Kontakt zur Basis. Politik darf nicht in einem sterilen Raum stattfinden. Bevor ich Minister wurde, war ich Vorstandsvorsitzender einer Sparkasse und deren geborene Kundschaft sind ja die Handwerker. Ich weiß also, wie ein Handwerker denkt und welche Sorgen er mit sich herumträgt. Dieses Wissen kommt mir immer noch zugute. Und ich lerne ja auch weiterhin dazu.

Auch wenn die Konjunktur an Fahrt gewinnt - die Insolvenzquote im Mittelstand war im Vorjahr so hoch wie selten zuvor. Wo liegen die Ursachen?

Die Hauptursache sehe ich darin, dass wir seit drei Jahren an einer Stagnation ohne Wachstum leiden. Das bedeutet: Die Privatleute und auch die betrieblichen Investoren warten erstmal ab. Und das machen ja auch die öffentlichen Haushalte: Auf allen staatlichen Ebenen, vom Bund über die Länder bis zu den Gemeinden, hält jeder so weit es geht die Taschen zu, was an der allgemeinen Steuerentwicklung liegt. Hinzu kommt ein Sonderfaktor in der gewerblichen Wirtschaft und im Handwerk: Die Verhandlungen über Basel II haben zusätzlich Verunsicherung geschaffen. Die Folge war, dass die Banken nicht nur hier und da weniger Kredite vergeben haben, sondern – viel schlimmer – bei der Kreditvergabe eine übervorsichtige bis restriktive Politik eingeschlagen haben. Das hat die Situation verschärft.

Stichwort Kreditvergabeverhalten. Bankier von Metzler hat kürzlich in einem Interview die Banken aufgefordert, ihre Kriterien stark zu überprüfen. Mittelständische Unternehmen würden so kaum noch Kredite bekommen. Auf was muss sich das Handwerk einstellen?

Herr von Metzler hat nicht nur den Banken nahe gelegt, die Kreditvergabe einzuschränken. Er hat der Wirtschaft den Rat gegeben, statt den Weg zur Bank den Gang an die Börse zu wählen. Nur: Wie soll sich ein mittelständisches Handwerksunternehmen dort Kapital verschaffen? Wie soll das gehen? Das alles ist ein bisschen weltfremd. Der Gang an die Börse steht auch dem tüchtigsten Elektroinstallateur oder Metzger nicht offen. Der schaut sich die Börsenkurse nur morgens in der Zeitung an. Handwerker bleiben darauf angewiesen, dass ein Geldinstitut über Kredite ihren Weg begleitet. Deshalb ist es wichtig, dass sich Banken und Sparkassen ihrer Verantwortung sehr bewusst sind. Basel II darf nicht als Tarnkappe für klammheimliches Abtauchen missbraucht werden, nur weil man plötzlich glaubt, das Risiko von Krediten ganz anders beurteilen zu müssen.

Wie bewerten Sie die Argumentation, dass zu hohe Steuern verantwortlich sind für eine schlechte Wirtschaftslage und damit für die Zurückhaltung bei der Schaffung neuer Lehrstellen?

Das Handwerk ist ein sehr fleißiger Ausbilder und die Ausbildungsquote ist dort weiter hoch, auch wenn sie in den letzten Jahren ein Stück zurückgegangen ist. Was Steuern und Abgaben angeht, so hat die Gesetzgebung wichtige Entlastungen erreicht. Gesunken ist der Tarifverlauf, deutlich niedriger liegen auch die Steuersätze. Vor gut fünf Jahren betrug der Eingangssteuersatz noch 25,9 Prozent, in diesem Jahr sind es nur 16 und ab Januar 2005 gerade mal 15 Prozent. Ich kenne keinen Menschen, den das nicht freut. Beim Spitzensteuersatz gibt es eine ähnliche Entwicklung. Dort hatten wir einen Satz von 53 Prozent, in diesem Jahr ging es nach unten auf 45 und im kommenden Jahr auf 42 Prozent. Besonders wichtig für das Handwerk ist, dass sich die Gewerbesteuer jetzt auf die Einkommenssteuer anrechnen lässt. Das heißt: Für viele Mittelständler ist die Gewerbesteuer praktisch abgeschafft. Wenn das keine gute Nachricht ist! Aber ich gebe zu: Die ständige Steuerdiskussion verunsichert auch.

Die Debatte um die Steuerpolitik ist mittlerweile quer durch alle Parteien entbrannt. Sie unterstützen, so ist zu hören, wie die CSU den linear progressiven Verlauf der Besteuerung. Redet aktuell jeder mit jedem? Wie schnell sind Ergebnisse zu erwarten?

Natürlich reden wir miteinander über die Parteigrenzen hinweg – permanent. Finanzminister haben einen weiten Tellerrand. Was meinen direkten Kontakt mit dem bayrischen Finanzminister Faltlhauser angeht, so wird es unter unserer gemeinsamen Federführung einen Vorschlag zur Modernisierung der Grundsteuer geben, den wir Ende Januar vorstellen wollen. Wir spüren natürlich, wie stark die momentane steuerpolitische Diskussion im Fokus der Öffentlichkeit steht. Vereinfachung ist angesagt, das halte ich auch für wichtig. Klar muss aber auch sein: Weitere Steuersenkungen können die öffentlichen Haushalte kurzfristig nicht verkraften. Es ist ja so: Der Staat muss bei Bildung oder Forschung, aber auch bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie den Straßenbau die Grundlagen für neues Wachstum schaffen. Zugleich gilt: Der Staat muss die Neuverschuldung wieder absenken. Wir haben eine große Verantwortung auch für künftige Generationen.

Zum Abschluss eine ganz persönliche Frage. Sie sind seit mehr als zehn Jahren im Amt und der mit Abstand dienstälteste Finanzminister in Deutschland. Finanzminister zu sein ist aber nicht immer angenehm. Jeder will Geld, jeder hat das Gefühl, er hätte zu wenig bekommen. Wie gehen Sie damit um?

Das ist tatsächlich nicht immer leicht. Aber man kann seinen Mitmenschen ja auch ganz andere Dinge geben als Geld. Ich persönlich verfahre in dieser Frage nach der Empfehlung des heiligen Benedikts, der in der Rolle des Cellerars im Kloster für die Finanzen zuständig war: „Kann er einem Bruder nichts geben, so gebe er ihm dennoch ein freundliches Wort.“ So halte ich es auch. Auch mir gegenüber sind die Leute ja meistens sehr freundlich.

Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.


Polit-Dialog

Die Gesprächsrunde bei der HwK zwischen Minister Mittler und dem handwerklichen Ehrenamt aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz war der Auftakt für regelmäßige Treffen mit Landespolitikern. Am 5. Februar wurde Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage (FDP) begrüßt, am 26. Februar kommt Dr. Christoph Böhr (CDU).