Handwerk im Sommer vom 03.07.2004


Schwalbe im Rhein verschwunden

Die abenteuerliche Reise eines Krabbenkutters auf und unter Wasser

Helmut Schmilgeit, Bootsbauermeister aus Neuwied
Helmut Schmilgeit, Bootsbauermeister aus Neuwied
Vor genau sechs Jahren im Rhein bei Neuwied: In einer groß angelegten Rettungsaktion wird die „Schwalbe“ mit schwerem Gerät wieder an Land gehoben.

Dass ausgerechnet dieser ehemalige Krabbenkutter den Namen „Schwalbe“ trägt, macht schon etwas „nachdenklich“, denn mit einem filigranen Segler der Lüfte hat das eher massig wirkende Boot keine Gemeinsamkeiten. Dass Krabbenkutter „Schwalbe“ gleich zwei Mal im Rhein sank und heute doch noch als stolzes Schiff auf große und kleine Fahrt gehen kann, ist eine eigene Geschichte. Eine, die Handwerksmeister Schmilgeit aus Neuwied kräftig mitgeschrieben hat ...

Es ist der 5. Juni 1998. Roland Lorenz hat sein Boot gepackt und ist startklar für die Reise in den Urlaub. Doch bei der Ausfahrt aus dem Neuwieder Jachthafen in den Rhein passiert es: Ein gewaltiges Rumpeln unter dem Boot lässt nichts Gutes verheißen, Sekunden später hat er einen starken Wassereinbruch. „Wir konnten gerade noch das Wichtigste retten und auf ein zweites Boot umsteigen“. Für die „Schwalbe“ kommt aber jede Hilfe zu spät - vorläufig. „Wir sind auf ein treibendes Hindernis gefahren. Das Leck war fußballgroß.“ Rund vier Kilometer war der 1948 gebaute Kutter als „U-Boot“ im Rhein unterwegs – ein Spielball der Strömung. „Schließlich konnten wir ihn festmachen“.

Eine größere, spektakuläre Rettungsaktion mit schwerem Kranwagen, Tieflader und Tauchern der Feuerwehr brachte das Schiff, mit Wasserinhalt im Bauch über 40 Tonnen schwer, schließlich wieder aufs Trockene. Doch die dabei entstandenen Schäden im und am Boot waren nicht zu übersehen.

Abschied?

Die Gedanken der Familie Lorenz kreisten um die Trennung von einem lieb gewonnenen Familienmitglied. Doch die Meinung eines Fachmannes sollte noch eingeholt werden – die Meinung von Bootsbauermeister Helmut Schmilgeit aus Neuwied.
Am Kranhaken segelte die „Schwalbe“ nun wirklich durch die Luft und landete in der Werkstatt des Handwerksmeisters im Neuwieder Jachthafen. Seit 1972 ist der heute 66-jährige Chef des Familienunternehmens, das vom Großvater vor mehr als 100 Jahren gegründet wurde. Mit dem Neubau und der Reparatur von Booten aus Holz und Polyester kennt er sich aus und genießt unter Skippern einen erstklassigen Ruf. Doch mit untergegangenen Booten dieser Größe musste er sich bis dahin nicht auseinander setzen. „Die Schäden waren imens.“ Das Loch wurde mit handgearbeiteten Planken „gestopft“, die Deckaufbauten zum größten Teil neu gebaut, schließlich bekam das Schiff einen neuen In-
nenaus-bau.

Nach sechs Monaten sollte es dann wieder heißen: „Allzeit eine Hand Wasser unter´m Kiel.“

Doch nach Wochen auf dem Trockenen waren die Holzplanken geschrumpft - ein normaler Vorgang. „Beim Einsetzen ins Wasser lief das Wasser durch die Ritzen. Dummerweise setzte eine der Lenzpumpen aus - die Schwalbe sank ein zweites Mal“, erinnert sich Schiffseigner Lorenz. Wieder wurde der Kutter gehoben. „Die Schäden hielten sich aber in Grenzen“, so Schmilgeit, der auch als Sachverständiger arbeitet. „Wir haben das Schiff gereinigt, Reparaturen waren nicht notwendig. Nach einigen Tagen ging es dann endlich auf große Fahrt.“

Heute ist das Schiff in norddeutschen Küstengewässern unterwegs. Den Handwerksmeister, heute 66 Jahre alt und im 52. Dienstjahr, verbindet mit seinem ehemaligen Kunden seit der Arbeit an der „Schwalbe“ eine enge Freundschaft.

Steckbrief: Bootsbau Schmilgeit, Neuwied
gegründet 1897 | Unternehmen in 3. Generation | Wartung und Reparatur von Booten aus Holz und Polyester | Tel.: 02631/35 22 84