Handwerk Special 112 vom 03.06.2006


„Bin der Anwalt des Mittelstandes“

Im Gespräch mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Hendrik Hering

Er ist der erste sozialdemokratische Minister für Wirtschaft, Verkehr, Weinbau und Landwirtschaft in der Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. Hendrik Hering, „Superminister“ im Kabinett von Kurt Beck. Wir begleiteten den 42-Jährigen kurz nach der Wahl auf der Fahrt von seinem Wohnort Hachenburg ins Mainzer Ministerium.

Foto: Der neue Wirtschaftsminister Hendrik Hering hat gerne die Schirmherrschaft für den „Meisterschuss!“ des Handwerks in Rheinland-Pfalz übernommen.
Der neue Wirtschaftsminister Hendrik Hering hat gerne die Schirmherrschaft für den „Meisterschuss!“ des Handwerks in Rheinland-Pfalz übernommen.
Foto: Setzen auf Kontinuität in der Zusammenarbeit (v.l.): Staatsminister a.D. Hans-Artur Bauckhage, Hauptgeschäftsführer Dr. h.c. mult. Karl-Jürgen Wilbert und Wirtschaftsminister Hendrik Hering.
Setzen auf Kontinuität in der Zusammenarbeit (v.l.): Staatsminister a.D. Hans-Artur Bauckhage, Hauptgeschäftsführer Dr. h.c. mult. Karl-Jürgen Wilbert und Wirtschaftsminister Hendrik Hering.

Zur Person
Der Jurist Hendrik Hering, Jahrgang 1964, kommt aus dem Westerwald. Er ist in Hachenburg geboren und lebt noch heute dort. Nach dem Studium in Mainz, arbeitete er neun Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt.
Seit 1996 gehört er dem Landtag an. Bis Februar 2005 agierte er als Staatssekretär im Ministerium für Umwelt und Forsten. Vor seiner Wahl als Wirtschaftsminister war er Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport.

In unserem Gespräch geht es nicht nur um politische Dinge. Hendrik Hering verrät auch Privates. Er erzählt von seiner Familie, darüber, was ihn geprägt hat. Er nennt Eigenschaften, die er an Menschen schätzt, sagt, was ihn nervt und wobei er am besten entspannen kann.

Hendrik Hering ist kein Mann der großen Worte. „Zuhören statt reden“, ist ein Geheimnis seines Erfolges. „Wer viel redet, hat nicht die Zeit, um weiterzukommen“, sagt er. Ist das ein Grund für seine steile politische Karriere? „Ich habe nie auf das nächsthöhere Amt geschaut, immer versucht, meine aktuelle Aufgabe gut zu erfüllen, gehandelt und somit keine Zeit verschenkt. Dazu gehört es, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, genau zu analysieren und Prioritäten im eigenen Ressort zu setzen.“

Gut aufgestelltes Haus

Der Westerwälder bekennt, dass es „mich überrascht hat, als Kurt Beck mir das Amt des Wirtschaftsministers angetragen hat“. Jetzt sieht er die Aufgabe als „interessante große Herausforderung, die Entwicklung des Landes mitzugestalten“, der er sich auch mit „gewissem Stolz“ stellt. „Ich habe ein gutes Gefühl, weil ich weiß, dass das Wirtschaftsministerium ein gut aufgestelltes Haus mit hoch motivierten Mitarbeitern ist, einem Team, das gut zusammenspielt.“ Die Frage, ob sich seine tägliche Dienstfahrt verändert hat, seit er mehr Verantwortung trägt, verneint der Minister. „Ich habe die Fahrt immer genutzt, um intensiv zu arbeiten, Akten zu studieren, Pressespiegel zu lesen. Das war und ist effiziente, durch weniger Anrufe ungestörte Arbeitszeit.“ Er ergänzt lachend, dass er auch seinen „bewährten Fahrer“ behalten hat.

Wie machtbewusst ist Hendrik Hering? „Macht ist in der Demokratie auch etwas Gutes. Man braucht sie, um etwas bewegen zu können.“ Wird man von Politik süchtig? „Ich nicht. Ich erledige mit innerer Überzeugung meine Arbeit, mich treiben die ungelösten Fragen, aber süchtig bin ich nicht. Ich weiß, dass ich ein Mandat auf Zeit habe. Das Amt darf den Menschen nicht verändern“, sagt er. Er betont, dass er auch deshalb immer wieder gern nach Hause fährt und möglichst viel Zeit in Hachenburg verbringt, weil er dort geboren und aufgewachsen ist und die Leute ihn nicht in erster Linie als Minister, sondern als Hendrik Hering sehen. Minister Hering räumt ein, dass „ich allerdings den Ehrgeiz habe, die meinem Amtsvorgänger Hans-Artur Bauckhage von Wirtschaftsprüfern bescheinigte mittelstandsfreundlichste Politik aller Bundesländer fortzusetzen“. „Ich verstehe mich als Anwalt des Mittelstandes. Das treibt mich an", sagt er. Und er sagt es engagiert. Die Augen blitzen und er unterstreicht seine Worte mit Gesten.

Begegnung mit Handwerk

Der Hachenburger berichtet, dass er schon als Schüler und Student in Handwerksbetrieben gejobbt und frühzeitig Achtung vor den Leistungen der Handwerker bekommen hat. Diesen „Respekt vor den durch technische Innovationen immer anspruchsvolleren Leistungen des Handwerks“ erwarte er auch von der Gesellschaft. „Intensive Begegnungen mit dem Mittelstand hat es dann in meiner 12-jährigen Amtszeit als Stadtbürgermeister von Hachenburg gegeben“, erinnert sich der Westerwälder. „Diese Jahre waren prägend. In einer kleinen Stadt spiegeln sich Probleme wider, die man auch im Großen hat. Ich habe oft Handwerksbetriebe besucht und mit den Inhabern gesprochen. Die Sorgen der Menschen waren mir immer wichtig. Damals habe ich als 25-Jähriger viel gelernt und so manchen Rat von Älteren angenommen.“ Dass er die Stadt Hachenburg schuldenfrei an seinen Nachfolger übergeben konnte, ist letztendlich auch ein Ergebnis erfolgreicher Wirtschaftspolitik, auf das er verweisen kann.

Sich dem Schicksal Einzelner anzunehmen, ist eine Sache, die er bis jetzt verfolgt, die ihm trotz geringem Zeitbudget wichtig ist, auf die er auch stolz ist. „Meine Bürgersprechstunden in meinem Wahlkreis führe ich weiter durch. Ein strahlendes Lächeln, wenn man einem Menschen helfen konnte, sind ein großer Erfolg.“ Das eigene Schicksal, der heute 15-jährige Sohn Marcel überstand eine Krebserkrankung, hat ihn „Mitfühlen und Betroffenheit gelehrt, menschliches Leid obenan zu stellen, Wertigkeiten und Bedeutung von Dingen einzuschätzen, die Menschen hinter den Fakten in den Akten zu sehen“. Mit Menschen auf Tuchfühlung zu gehen und mit ihnen über Politik zu diskutieren, ist seine Sache. „Politik darf nicht technokratisch werden, sondern muss menschennah sein.“

Mittelstandslotse im Einsatz

Was liegt Minister Hering am Herzen? Wie sein liberaler Vorgänger wird er sich auf den Mittelstand konzentrieren. „Der Mittelstand trägt die Wirtschaft. 99 Prozent der Betriebe, drei Viertel der Arbeitsplätze, 85 Prozent der Ausbildungsverhältnisse dokumentieren das. Ein Mittelstandslotse wird zukünftig direkter Ansprechpartner im Ministerium sein und sich beispielsweise konkret um Genehmigungsverfahren, etwa bei größeren Ansiedlungen, kümmern“, so der Minister. Neben Altbewährtem will er neue Akzente in der Förderung, so bei speziellen Gruppen von Existenzgründern oder im Gesundheitswesen, setzen. Schwerpunkte sieht er bei Zukunftsmärkten wie nachwachsenden Rohstoffen in der Landwirtschaft. Wird der neue Minister auch den Rat seines Vorgängers Hans-Artur Bauckhage einholen? „Von Westerwälder zu Westerwälder, gern auch bei einem guten Wein aus Rheinland-Pfalz“, schmunzelt der Wäller.

„Muss das Handwerk bei der geplanten Reduzierung es Wirtschaftsministeriums Nachteile befürchten?“, wollen wir wissen. „Keineswegs, es sind ein bis zwei Prozent, die in andere Ressorts verlagert werden. Das Finanzvolumen unseres Hauses von über einer Milliarde Euro bleibt erhalten. Alle wichtigen Komponenten für den Mittelstand, etwa die gesamte Innovations- und betriebliche Einzelförderung, die Gründer- und Technologiezentren, bleiben beim Wirtschaftsministerium. Lediglich die Grundlagenforschung wird beim Wissenschaftsministerium angesiedelt“, antwortet der Minister. Sind Auswirkungen für die ISB (Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz) zu erwarten? Minister Hering sieht die Hauptaufgabe der ISB auch weiterhin in der Wirtschaftsförderung. Lediglich eine verstärkte Finanzkontrolle durch das Finanzministerium nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ werde es geben. „Bisher waren wir sowohl Kunde als auch Kontrolleur. Das ist nie gut“, erklärt er.

Investition in Bildung

Den Bemühungen der Kammer Koblenz, in Wissen und Bad Neuenahr Zentren für Aus- und Weiterbildung zu errichten, um der bedingt durch die demografische Entwicklung weiteren Schwächung des ländlich strukturierten Raumes entgegenzusteuern, begrüßt Minister Hering. „Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung für die Arbeitswelt. Die beruflichen Entwicklungen werden weniger stetig verlaufen. Lern- und Anpassungsbereitschaft ist über das gesamte Berufsleben gefordert. Von Aus- und Weiterbildungszentren gehen positive Impulse für die Menschen aus. Sie machen den Standort attraktiv und ermutigen dazu, Betriebe im ländlichen Bereich zu gründen. Deshalb stehe ich dem Bau positiv gegenüber.“

Im Zusammenhang mit dem neuen HwK-Kompetenzzentrum für Gestaltung, Fertigung und Kommunikation, an dessen Eröffnung er am 6. November teilnehmen wird, unterstreicht er die wachsende Bedeutung von modernen Technologien und Gestaltung im Handwerk. „Wir können uns auf internationalen Märkten nur mit zunehmenden Innovationen bewähren. Modernes Design gewinnt dabei stark an Bedeutung. Zur Kombination von Technologie, Design und modernen Medien, die zu den Schwerpunktaufgaben des neuen Zentrums gehören, kann man nur gratulieren.“

Gute Gespräche und Krimis

Wir nähern uns Mainz, damit dem Ende der Fahrt, und wollen noch etwas über den Privatmann wissen. Was liebt Hendrik Hering und was nervt ihn? Was gefällt ihm an sich besonders und was mag er an sich gar nicht? Wie kann er am besten entspannen? Er nennt die kleinen Dinge, den Dialog mit Menschen, Punkte der Ruhe. Er schätzt es Neues zu erfahren von Menschen, die kreativ sind, neue Ideen umsetzen, etwas anpacken, solche, die etwas für andere leisten. Er mag kluge Fragen und weise Antworten. Ihn nerven „Fensterreden, Borniertheit, die immer wieder abgedroschenen gleichen Vorurteile, Wichtigtuerei“. Als seine Stärke empfindet er es, „verschiedene Interessen zusammenzuführen und Netzwerke zu bilden“. Und: Er hofft, dass „Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Solidität, Werte, für die ein Westerwälder steht, auch auf mich zutreffen“. Weniger mag er „seine Ungeduld“.

Entspannen kann er am besten bei seiner Familie, seiner Frau Manuela, der 12-jährigen Tochter Jennifer und Sohn Marcel. Seine Hobbys Sport und Lesen halten ihn fit. Die Westerwälder Seenplatte dient ihm als Laufstrecke. 10 bis 15 Kilometer können es am Wochenende schon werden. Dann steht er auch mal um fünf Uhr morgens auf. Die Anmeldung zur halben Disziplin beim Mittelrheinmarathon steht! Auf seinem Nachttisch liegt von Jacques Berndorf „Eifelsturm“. Natürlich hat er den von seiner Frau geschriebenen und auf der Koblenzer Kriminale vorgestellten Krimi „Mord im Landschaftsmuseum“ als Erster gelesen.

Das Interview führte HwK-Mitarbeiterin Beate Holewa.

Nachgefragt: Staatsminister Hendrik Hering zu ...

Foto: Staatsminister Hendrik Hering stellte sich auf der Fahrt von Hachenburg nach Mainz den Fragen von Handwerk Special.
Staatsminister Hendrik Hering stellte sich auf der Fahrt von Hachenburg nach Mainz den Fragen von Handwerk Special.

Fußball-WM:
Brasilien ist für den Minister aufgrund des Spielerpotenzials Top-Favorit für den Titel bei der Fußballweltmeisterschaft.
„Ich werde Spiele, wenn möglich, in Hachenburg auf der Großleinwand verfolgen.“

„Meisterschuss!“:
Den Fußball-Pokal des Handwerks in Rheinland-Pfalz, dessen Schirmherrschaft er von seinem Amtsvorgänger „gern übernimmt“ und wo er auch bei Spielen anwesend sein wird, wenn es der Terminkalender zulässt, schätzt er als „tolle Aktion“ ein, um das Gemeinschaftsgefühl der Handwerker und das Image des Handwerks zu stärken.
„Ich freue mich auf spannende Begegnungen.“

Mittelstandsfreundliche Kommunen:
Den von der Kammer Koblenz initiierten Wettbewerb „Mittelstandsfreundliche Kommune“ unter Federführung des Ministers wird es weiter geben.
„Für die Wirtschaftsförderung ist es wichtig, so viel Bürokratie wie möglich abzubauen. Dazu zählt auch, dass die Verwaltungen servicefreundlicher werden. Der Wettbewerb macht deutlich, wo beispielsweise Verfahren effizienter gestaltet werden können und es andere Reserven gibt.“

Auslandsaktivitäten der HwK:
„Diese Aktionen zeigen, dass wir nicht nur wirtschaftliche Beziehungen wünschen, sondern es uns auch Verpflichtung ist, beim Aufbau zu helfen, sozusagen gespürte Solidarität. Die HwK Koblenz ist dabei Vorbild in ganz Deutschland. Es ist gut, diese Kammer bei uns in Rheinland-Pfalz zu haben.“