Handwerk Special Nr. 152 vom 3. September 2011 - page 15

Schornsteinfegerreform: Was bringen die neuen Regeln?
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Nr. 152
3. September 2011
Neue Marktsituation
Im Sommer 2008 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Neuregelung des
Schornsteinfegerwesens. Der Grund für diese Änderung: Die bis dahin gültige Regelung in
Deutschland verstieß gegen europäische Richtlinien.
Stimmen zur Liberalisierung des Schornsteinfegerwesens
Die Novelle bringt eine Libe-
ralisierung des Schornstein-
fegerwesens, die sowohl den
schwarzen Glückbringern als
auch dem SHK-Handwerk neue
Tätigkeitsfelder eröffnet. Bis
zum31.Dezember2012giltnoch
eine Übergangsfrist, während
der die Gesetzesänderungen
nicht vollständig greifen und die
alten Aufgabenbeschränkungen
gelten. Ab dem 1. Januar 2013
können dann SHK-Meisterbe-
triebe teilweise Tätigkeiten des
Schornsteinfegerhandwerks
anbieten. Im Umkehrschluss
steht es bereits heutedenSchorn-
steinfegern frei, bestimmte
Bereiche des SHK-Handwerks
für denVerbraucher anzubieten.
Voraussetzung für beideGewer-
ke sind jedoch Eintragungen
in die Handwerksrolle für die
jeweilige Teiltätigkeit, die eine
Zusatzqualifikationvoraussetzt,
die unter anderem von der
Handwerkskammer Koblenz
durchgeführt wird.
Handwerk Special sprach mit
Vertretern beider Gewerke und
befragte sie zu ihrer Meinung
über Chancen und Nutzen der
neuen Regelungen im Schorn-
steinfegerwesen. Den Fragen
gestellt haben sich:
Rainer
Albus,
Bezirksschornsteinfeger-
meister in Diez und imVorstand
des Landesinnungsverbands
Frage 1:
Worin sehen Sie die Chance der neuen
Regelungen aus Sicht Ihres Handwerks?
Umfangreiche Nebentätigkeiten waren Schorn-
steinfegerbetrieben nach der alten Regelung
verwehrt. Durch die Neuregelung ist es möglich,
demKundenmehr als nur originäre Schornstein-
fegertätigkeiten anzubieten, die aber nach wie
vor unsere Präferenz bleiben. Haus- und Woh-
nungseigentümer sindweiterhinverpflichtet, die
bestehenden kehr- und überprüfungspflichtigen
Anlagen reinigen, überprüfen und messen zu
lassen.
Aus Sicht meines Handwerks sehe ich eine
Chance darin, dass durch die von der Hand-
werkskammer Koblenz angebotenen Qualifika-
tionsmöglichkeiten unsere Sanitär-, Heizungs-,
undKlima-Betriebe in die Lage versetzt werden,
die gesetzlich vorgeschriebene Abgasmessung
(nach 1. BImSchV) durchzuführen.
Das neue Gesetz sieht die Beibehaltung der
Kehrbezirke vor. Die Grundstücksbesitzer sind
nun alleine für die fristgerechte Arbeitsausfüh-
rung verantwortlich. Aus Brandschutz- und
Betriebssicherheitsgründenwerden die Bezirks-
schornsteinfegermeister weiterhin der erste An-
sprechpartner sein. Ihnenobliegt dieVerwaltung
und Überwachung der im Feuerstättenbescheid
festgelegtenTermine sowie die benanntenKehr-
und Überprüfungstätigkeiten. Für den Kunden
bietet dies einen hohen Sicherheitsgrad.
Rheinland-Pfalz tätig. Zu-
dem ist er Installateur- und
Heizungsbauermeister.
Eric-Uwe Aulenbacher
,
Kreishandwerksmeister
derKreishandwerkerschaft
Birkenfeld.ImVorstandder
HwKKoblenzvertritt er die
Arbeitgeberseite.
Helmut
Gosert,
Landesinnungs-
meister des Fachverbands
SHK Rheinland-Rheinhes-
sen und Obermeister der
SHK-Innung Trier-Saar-
burg.
Norbert Hess,
Bezirksschornsteinfeger­
meister inNiederbreitbach.
Bis 2010 war er Obermeis­
ter der Schornsteinfeger-In-
nung Koblenz. 2011 wurde
er mit der Ehrennadel der
HwK Koblenz für sein eh-
renamtliches Engagement
ausgezeichnet.
Frage 2:
Welche Vorteile ergeben sich
für die Verbraucher?
Die Hauseigentümer können selbst entscheiden,
welche akkreditiertePerson an seiner Feuerungs-
anlage Arbeiten durchführt. Die Ausführung
der Schornsteinfegerarbeiten ist an Fristen
reglementiert, die es einzuhalten gilt. Die Ver-
brauchersindgutberaten,dieTrennungzwischen
HeizungswartungundEmissions-mitWirkungs-
gradfeststellung infolgeder besserenObjektivität
und Dokumentation beizubehalten.
Hauseigentümer sindauchnachderNeuregelung
weiterhin gezwungen, für die Abgasmessungen
der Heizungsanlage doppelt zu zahlen. Einmal
an den Schornsteinfeger, der diese Messung per
Gesetz ausführen muss. Das zweite Mal an uns
als Fachbetrieb im Zuge der Heizungswartung.
Nachdem sich der Fachbetrieb jedoch weiter-
qualifiziert hat, kann der Hauseigentümer die
gesetzlich vorgeschriebeneMessung zusammen
mitderWartungdurcheinenHeizungsfachbetrieb
durchführen lassen.
Frage 3:
Wie bereitet sich Ihr Handwerk
auf die Änderungen vor?
Unser Handwerk ist bestens gerüstet. Die
Betriebe nutzen die Weiterbildungsangebote.
UnserhoherOrganisationsgradmitzertifizierten
Betriebengewährleistetbundesweiteinheitliche
Qualitätsstandards. Durch unsereBeratung und
Überprüfung von Feuerungsanlagen ergeben
sich auch Folgeaufträge beispielsweise für die
SHK-Branche. Das Schornsteinfegerhandwerk
verfolgt weiterhin den Weg der gewerksüber-
greifenden Kooperation anstatt Konfrontation.
Der ZentralverbandSanitärHeizungKlima und
der Zentralinnungsverband des Schornsteinfe-
gerhandwerks unterzeichneten Ende 2009 eine
Verbändevereinbarung, die als Grundlage für
einbundeseinheitlichgeordnetesVerfahren zur
Gewerbeausübung im jeweils anderen Gewerk
dient. Damit wurden die grundsätzlichen Vo-
raussetzungengeschaffen, dass unsereBetriebe
Tätigkeiten beider Gewerke aus einer Hand
anbieten können.
Das Schornsteinfegerhandwerk ist durch
seinen hohen Organisationsgrad in Innungen,
Landesverbänden und Bundesverband bestens
aufgestellt. Fast alle Betriebe sind QM/UM
zertifiziert, arbeiten bundesweit nach einem
einheitlichenQualitätsstandard.Sokannschnell
aufVeränderungen reagiertwerden.Dieberufs-
eigenen Fach- und Unternehmerschulen sowie
dieHwKbietenumfangreicheWeiterbildungen
an. Die eingeschlagenen Wege sind außeror-
dentlich vielversprechend.
Rainer Albus
Eric-Uwe Aulenbacher
Norbert Hess
Die Stimmen
aus dem
Handwerk
Foto: privat
Foto: privat
Foto: privat
Helmut Gosert
Foto: privat
Durch den Wegfall des Nebenerwebsverbotes
ist es dem Schornsteinfeger nun möglich, den
Kunden eine erweiterte Palette an Dienstleis­
tungen anzubieten. Viele Hauseigentümer sind
oft damit überfordert, die bestehenden Energie-
sparvorschriften für sich zu nutzen. Die Praxis
zeigt, dass der Schornsteinfeger für den Kunden
ein verlässlicher Partner in Energiefragen ist. In
Zeiten steigenderEnergiekostenhilft der Schorn-
steinfeger alsEnergieberater, demKundenWege
zur Energieeinsparung aufzuzeigen.
Der Verbraucher bekommt nun mit der Unter-
nehmererklärung/Errichterbescheinigung des
SHK-Meisterbetriebes dokumentiert, dass die
erbauteAnlagedenRegelnderTechnikentspricht
und alle sicherheitstechnischen Anforderungen
erfüllt werden. Diese „Konformitätserklärung“
sollte dann bei den Wartungen fortgeschrieben
werden.DieseDokumentationendienenzurWer-
terhaltung der Immobilien. Für den Verbraucher
ist es somit von Vorteil, seinen SHK-Meisterbe-
triebmitderAusführungderArbeitenzubetrauen.
Im Wesentlichen ist der Anlagenerrichter und
damitderSHK-MeisterbetriebfürdieQualitätder
haustechnischenAnlagenverantwortlich.Hierzu
gehört auch das Messen und Kontrollieren der
Werte und Leistungen nach Fertigstellung. Die
Neuregelung ermöglicht nun dem qualifizierten
SHK-BetriebdieseMessungeneigenverantwort-
lich durchzuführen. Die zusätzliche, nochmalige
Prüftätigkeit durch den Schornsteinfeger kann
dann entfallen.
Die HwK Koblenz und der Fachverband Sani-
tär-, Heizungs- und Klimatechnik Rheinland-
Rheinhessen haben ein Qualifikationskonzept
für die Beteiligten entwickelt, das in den Inhal-
ten und im modularen Aufbau innovativ und
zielgerichtet ist und auf großes Interesse stößt.
Wünschenswertwäre, wenndieseNeuregelung
landesweit übernommen würde. Unser Ziel
soll die Kompetenzerweiterung und Höher-
qualifikation der SHK-Betriebe sein, die dann
zu einer höheren Kundenzufriedenheit führt.
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