Handwerk Special Nr. 159 vom 28. April 2012 - page 22

Junge Seite: Meister, die in ihrem Herzen jung geblieben sind
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Nr. 159
28. April 2012
Aus der Bundeswehr in den Zivilberuf
Die Handwerkskammer Koblenz hat sich seit vielen Jahren
um die Kooperation mit der Bundeswehr verdient gemacht.
Ausgangspunkt waren erste Beratungs- und Bildungsaktivi-
täten im Kontext der deutschen Wiedervereinigung.
Seit über zwölf Jahren entwickelt das Beratungszentrum „Bundes-
wehr-Wirtschaft“ (BzBwWi) unter dem Dach der HwK Zukunfts-
strategien für Soldaten. Das Motto lautet: „Aus der Wirtschaft zur
Bundeswehr und durch die Bundeswehr höher qualifiziert zurück
in die Wirtschaft.“
Das 2008 begonnene bundesweite Modell einer „Fachlichen Qua-
lifizierung in verkürzter Form“, über das Soldaten in ausgewählten
Handwerksberufen zur Gesellenprüfung geführt werden, ist ein
Beispiel dafür, wie aus der Zusammenarbeit von Bundeswehr ei-
nerseits und Unternehmen des Handwerks andererseits ein Beitrag
zur Fachkräftegewinnung und -sicherung geleistet wird.
Über 2.400 Soldaten auf Zeit (SaZ) wurden 2011 bundesweit an
37 Standorten in 76 Veranstaltungen „Karriere Wirtschaft“ über
die vielfältigen Leistungen der Kooperation zwischen Bundeswehr
und Wirtschaft informiert, weitere 3.800 SaZ mit zusätzlichen In-
formationen über Tätigkeitsfelder und Anforderungen in Industrie,
Handel, Handwerk und Dienstleistung vorbereitet.
1.053 SaZ erhielten eine individuelle, zivilberufliche Lebensweg­
planung und Unterstützung bei der Stellensuche, um nach Dienst-
zeitende bundesweit eine neueKarriere als Fach- oder Führungskraft
oder Existenzgründer in der Wirtschaft zu starten. 369 SaZ wurden
in den modernen HwK-Bildungseinrichtungen aus-, fort- und wei-
tergebildet. Dabei nimmt dieQualifizierung zumHandwerksmeister
bei vielen Soldaten weiterhin einen hohen Stellenwert ein.
Zurück auf die Schulbank
Uwe Stum arbeitet seit
1994 bei der Handwerks-
kammer Koblenz. Er ist
Fliesen-, Platten- und Mo-
saiklegermeister und seit
2011 hat er auch den Meis­
terbrief im Stuckateur-
handwerk. An die 4.200
Baulehrlinge hat er in den
Bereichen Fliesen, Putz,
Stuck, Trockenbau sowie
Estrich überbetrieblich
geschult.
„Ich bin ehrgeizig und suche
immer die Herausforderung.
Als sichdurchdenVorruhestand
meinesKollegendieMöglichkeit
bot, die Verantwortung für die
überbetriebliche Ausbildung
im Stuckateurbereich zu über-
nehmen, habe ich die Chance
genutzt. Voraussetzung dafür
war der Meisterbrief“, so Uwe
Stum. „Es war für mich nicht
immer leicht, in der Freizeit,
freitags und samstags, die
Schulbank zu drücken. Ich war
in der Meisterklasse der Älteste
und habe als Fliesenleger von
denpraktischenErfahrungender
jungen Stuckateure profitiert“,
räumt er ein.
Doppelmeister Uwe Stum ist Ausbilder bei der HwK Koblenz
Meister!
. . . seit 6 Generationen
„Wenn ich in der Disco gefragt werde, was ich beruflich
mache, merke ich, dass meine Antwort verblüfft“, so Lu-
cas Vollhardt aus dem hessischen Groß-Gerau. Er wird
erst 20 Jahre jung und ist bereits Handwerksmeister. Der
Straßenbauer ist der Jüngste unter den Jungmeistern,
die in diesem Jahr ihren Großen Meis­terbrief erhalten.
Foto: privat
„Für mich war es
selbstverständlich,
Meister zu werden,
weil der Meisterbrief
in der Familie Voll-
hardt Tradition hat.
Wir sind Straßenbau-
er und Pflasterer seit
sechs Generationen.
Die Kette wollte ich
nicht abreißen lassen“,
erzählt Lucas. Er hat
in dem von seinem Ur­
opa 1949 gegründeten
Betrieb gelernt. „Mein
Vater war ein guter
und strenger Lehrherr.“
Vater Harald, der die
Firma in der dritten
Generation führt, hat
seinen Sohn ermutigt,
den Meisterkurs in
Vollzeit zu besuchen.
„Wenn man jung ist,
fasst man die Theorie
Der heute 53-Jährige kam über
einen Umweg zum Handwerk.
Aufgewachsen in Grevesmüh-
len, in der ehemaligen DDR,
arbeitete er als Berufssoldat im
RaumEggesin.DenerstenBezug
zu seiner jetzigen Tätigkeit fand
er im Rahmen einer Fortbil-
dung für Soldaten. So wurden
1990 unterschiedliche Orientie-
rungslehrgänge für interessierte
Soldaten und Zivilbeschäftigte
aus der ehemaligen Nationalen
Volksarmee angeboten, um ih-
nenneueberuflichePerspektiven
aufzuzeigen. SpätermachteUwe
Stum eine von der Agentur für
Arbeit geförderte Umschulung
zum Fliesen-, Platten- und
Mosaikleger. Heute ist er als
Dozent in denMeisterkursen für
Fliesenleger aktiv und seit zwei
Jahren auch Fachbereichsleiter
fürFliesenlegerundStuckateure.
„Ich bin in meinem zweiten Be-
rufslebenangekommen“,schätzt
Doppelmeister Stum ein.
Stuckateur- sowie Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-
meister Uwe Stum (r.) unterrichtet seit 1994 Lehrlinge
in den überbetrieblichen Lehrgängen bei der HwK.
Meister!
„Jetzt erst recht!“
Tobias Weißmann aus Dedenbach im Brohltal
ist Fliesen-, Platten- und Mosaiklegermeister.
I
nfos
Seit der Novellierung der Handwerks-
ordnung zum 1. Januar 2004 gehört
sein Handwerk zu den zulassungs-
freien Gewerken. Das bedeutet, dass die Meisterprü-
fung nicht mehr zwingende Voraussetzung für die
selbstständige Ausübung des Handwerks ist. Er hat
den Meis­terbrief trotzdem erworben.
„Jetzt erst
recht“, sagt der
28-Jährige. Und:
„Ich bin stolz
darauf, Meister
zu sein. Als Meis­terbetrieb kann man sich immer po-
sitiv abheben und sich selbst und seinen Ansprüchen
treu bleiben.“
Tobias Weißmann bedauert, dass immer wieder Auf-
träge nur über den Preis vergeben werden. „Nied-
rigerer Preis heißt leider oft schlechtere Qualität der
Arbeit. Ich gehe davon aus, dass das Qualitätsdenken
bei den Auftraggebern weiter steigen wird. Bereut
habe ich den Besuch des Meisterkurses in Vollzeit
bei der Handwerkskammer Koblenz jedoch in keinem
Fall“, so sein Fazit.
seinem Wohnort und im Andernacher Raum für pri-
vate Kunden. Er bietet unter anderem Badkomplettlö-
sungen und den Service „Alles aus einer Hand“ an.
... bei der HwK-Meisterakademie, Tel.: 0261/
398-311,
Foto: privat
besser auf. Die Er-
fahrungen kommen
dann später auf der
Baustelle, hat er mir
geraten.“ Auch im
HwK-Meisterkurs
war er der Jüngste.
„Mit meinem Back-
ground war es der
richtige Weg. Ich
verstehe aber auch
andere, die nach der
Gesellenprüfung
erst einmal Geld
verdienen möch-
ten.“
zu kehren, liegt mir gar
nicht“, so Lucas. Der
Respekt der Mitarbeiter
in der Straßenbauerfirma
Vollhardt ist dem noch
19-Jährigen sicher. Dass
er der Sohn vom Chef ist,
spielt dabei eher eine un-
tergeordnete Rolle.
Im Unternehmen bekommt
der junge Meister kleinere
Projekte übertragen, die
er eigenverantwortlich
abwickelt. „Ich arbeite mit
einem Gesellen zusam-
men. Es ist echte Teamar-
beit, denn den Chef heraus
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