Handwerk Special Nr. 168 vom 23. März 2013 - page 6

Nahrungsmittelhandwerke rechtfertigen Vertrauen der Kunden
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Nr. 168
23. März 2013
Die Meisterprüfung im Flei-
scherhandwerk bei der HwK
Koblenz zählt sicher zu den
handwerklich und kulinarisch
außergewöhnlichsten, denn
die Meisterstücke sprechen
Gaumen und Auge gleicher-
maßen an. Für neun junge
Fleischer ging es jüngst mit
demFinalederMeisterprüfung
um die sprichwörtliche Wurst,
in dessen Verlauf sie aus dem
Atrium des Zentrums für Er-
nährung und Gesundheit einen
Gourmettempel zauberten.Mit
Erfolg, denn alle Neun über-
zeugten mit ihren Leistungen
die Prüfungskommission.
Seit über 125 Jahren erfolgreich
Pferdefleisch über „Irrwege“ in der Supermarkttheke, Pferde-
DNA im „Köttbullar“ oder in der Lasagne: Der jüngste Skandal
zog Kreise. Rossschlachter Ralf Barz aus Neuwied hat es aber
nicht geschadet. Seit dem Pferdefleischskandal bleiben die
Kunden bei ihm nicht etwa aus, es kommen sogar mehr und
sie fragen konkret nach Herkunft und Verarbeitung.
Rossschlachter Barz aus Neuwied profitiert vom Pferdefleischskandal
Steckbrief: Rossschlachterei Barz, Neuwied
Gegr. 1886 | 5 Mitarbeiter | Ladenlokal und mobiler Verkauf auf
Märkten | Tel.: 02631/ 25122 |
Für Fleischer beginnt
am 22. Mai ein Teilzeit-
Meisterkurs (montags und
mittwochs, 17-21 Uhr) im
Zentrum für Ernährung und
Gesundheit Koblenz.
Infos & Anmeldung bei der
HwK-Meisterakademie:
E-Mail:
Meisterkurs
Fleischer
Info-Tel.: 0261/ 398-325
„Das hat mich zunächst auch
gewundert“, so der Fleischer-
meister. „Die Verbraucher
sind zu recht empört über die
Täuschung beim Deklarieren
der Ware, und dass sie nichtwis-
sentlich Pferdefleisch verzehrt
haben. Glücklicherweise haben
sie aber erkannt, dass es nicht um
einen Skandal im Fleisch geht,
sondernumeinen,derdenEtiket-
tenschwindel betrifft. Jetzt sind
dieMenschenoffenbarneugierig
geworden und kaufen bewusst
Pferdefleisch.“ Barz beklagt
keine Einbrüche. Im Gegenteil,
er verkauft sogar mehr Würste,
Filets undSteaks als sonst. Seine
frische Fleischwurst, die er vier-
mal in der Woche anbietet, ist
einRenner.DerFleischermeister
bekammehrereAuszeichnungen
vonder Fleischer-InnungRhein-
Westerwald.
Ralf Barz führt seine Ross-
schlachterei in Neuwied in
der 4. Generation. Mit seinem
Verkaufswagenisterregelmäßig
im Landkreis und auf Märkten
unterwegs. „Wir verkaufen seit
über 100 Jahren Pferdefleisch.
Früher galt es als Fleisch für
die armen Leute, weil es im
Überfluss vorhanden war. Heu-
te ist es nicht mehr in großen
Mengen verfügbar, Kutschen
und Fuhrwerke sind als Trans-
portmittel aus dem Stadtbild
verschwunden“, erzählt er. So
sind es laut Barz auch weniger
als 100Fleischer, die inDeutsch-
land Pferdefleisch anbieten. In
Rheinland-Pfalz befindet sich
der nächste Rossschlachter in
Kaiserslautern.
BarzhebtdieguteFleischqualität
hervor, weil es sich bei Pferden
nicht um Mastvieh und für
den Verzehr gezüchtete Tiere
handelt. „Sie werden nicht mit
Antibiotika, Hormonen oder
Fischmehl aufgezogen. Im
VergleichzuRind- oder Schwei-
nefleisch enthält Pferdefleisch
weniger Fett, Cholesterin und
Harnsäure. Es ist nicht nur bei
kalorienbewussten Menschen
beliebt, sondern wird zuneh-
mend auch von Allergikern und
Verbrauchern mit Gicht oder
Rheuma geschätzt“, weiß er.
Kontrollsystem garantiert
beste Qualitäts
Hinzu kommen die hohen Stan-
dardsderQualitätssicherungund
-kontrolle.Grundvoraussetzung,
um ein Pferd zu schlachten, ist
der Equidenpass. „Hier sind
Daten über die Abstammung
des Pferdes enthalten, ebenso
Impfungen. Wenn ein Tier Me-
dikamentebekommenhat, erhält
es im Pass einen Sperrvermerk
und ist nicht zur Schlachtung
zugelassen“, so Barz. Schlacht-
tier- undTrichinenuntersuchung
sindweitereKontrollen. Drei bis
vier Tiere werden pro Woche
geschlachtet.
Für Barz sind die inDeutschland
üblichen strengen Überprü-
fungen auch ein Grund für mehr
Kunden. „Diejenigen, die ihr
Fleisch bisher im Supermarkt
gekauft haben, bevorzugen jetzt
Ein eingespieltes Team in Sachen Pferdefleisch (v.l.): Sohn Sebastian und Fleischermeister Ralf Barz mit
Fachverkäuferin Stefanie Trapp hinter der Theke im Stammhaus in der Neuwieder Innenstadt.
Produkte aus der Region und
kommen zu mir. Natürlich gibt
es auch inDeutschland schwarze
Schafe in der Branche. Dass
dies immer wieder aufgedeckt
wird, zeigt doch, dass das Kon-
trollsystem funktioniert“, ist er
überzeugt.
Der Fleischermeister kauft seine
Pferde im Umkreis von 100
Kilometern. EinigeVerbraucher
bedienen sich bei Barz auch an
der Extratheke, in der Fleisch für
Hundeliegt.Der55-Jährigeweiß
ausKundengesprächen, dass die
Hunde Pferdefleisch bei Hau-
terkrankungen besser vertragen
oder es bei Diäten fressen.
„Das Interesse am Pferdefleisch
wurde durch die mediale Be-
richterstattung geweckt, die bei
den Verbrauchern immer auch
unterschwellige Bedürfnisse
erzeugt. In einer kürzlich veröf-
fentlichten Studie steht, dass 42
Prozent derDeutschenbei klarer
Kennzeichnung Pferdefleisch
kaufen würden“, weiß er.
Sohn Sebastian Barz steht in
denStartlöchernfürdieBetriebs­
übernahme. Er hat bereits den
fachtheoretischenund fachprak-
tischen Teil der Meisterprüfung
inderTascheundbesucht derzeit
denMeisterkurs derHandwerks-
kammer (HwK) Koblenz, um
sich auf die Teile III und IV der
Meisterprüfung vorzubereiten.
Fleischer stellen sich Meisterprüfung
Rollbraten mit Hackfleisch und Gemüse gefüllt, raffinierte
Leckereien vom Rind, hauchdünn geschnitten und mit wei-
teren Leckereien perfekt gewickelt, Wurstsorten, die zum
Reinbeißen einladen ...
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