Handwerk Special Nr. 224 vom 09.11.2018

Stets fair und transparent 2008 wählte die Vollversammlung der Handwerkskammer (HwK) Koblenz Alexander Baden zum neuen Hauptgeschäfts- führer, im Januar 2009 trat der Jurist das Amt an. Jetzt, mit 65 Jahren, verabschiedet er sich in den Ruhestand und blickt im Gespräch mit der „Handwerk Special“-Redaktion zurück auf sein zehnjähriges Wirken. Das Interview führte Beate Holewa, seit 1990 HwK-Mitarbeiterin. Alexander Baden über Werte, das Handwerk und die Kammer Wie alles begann: Welche Gedanken und Gefühle standen vor Amtsübernah- me im Raum? Die HwK Koblenz ist führend in Rheinland-Pfalz und zählt zu den Besten in Deutschland. Ich gebe zu, dass ich aus Kai- serslautern voller Ehrfurcht nach Koblenz geschaut habe. Die Pfalz ist eine Region der Beschaulichkeit und Koblenz aus diesem Blickwinkel eine Wirtschaftsmetropole. Folge- richtigwar dieKammerKoblenz eine andere Hausnummer für mich. Als dann so imposante PersönlichkeitenwieKarl-Heinz Scherhag oder mein Vorgänger gefragt haben, ob ich mir die Hauptgeschäftsführerposition in Koblenz vorstellen kann, habe ich mich geehrt gefühlt und die neue Herausforderung voller Freude angenommen. Zur Ausgangssituation: Was im Kammergesche- hen fanden Sie gut und erhaltenswert? Wo sahen Sie Änderungsbedarf? Ich war von der Arbeit der Mit- arbeiter in vielen Bereichen sehr angetan. Greife ich einmal die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit heraus. So etwas kannte ich aus Kaiserslauterngarnicht.Fasziniert haben mich hier vor allem auch das aufgebaute, funktionierende Netzwerk und der zumTeil schon freundschaftlicheKontaktderKol- legenzudenMedieninderRegion und darüber hinaus. Erstaunt hat mich, dass Strukturen zwar vor- handen waren, aber letztendlich allesaufeinePersonfokussiertund patriarchalisch ablief. Hiermusste sich etwas ändern. Veränderungen: Was waren vorrangige Ziele auf der Agenda des neuen HGF? Ich hatte die Kammer bislang nur von außen betrachtet. Jetzt bot sichmir der Blick von innen. Wichtigwarmir, eineFührungs- kultur zu schaffen, die aufKolle- gialität,Teamarbeit,Respektund gegenseitiger Wertschätzung im Interview mit Hauptgeschäftsführer Alexander Baden 4 Nr. 224 9. November 2018 www.handwerk-special.de basiert. Darauf sollte die neue, klare Organisations-, Ablauf und Personalstruktur aufbauen. Ich weiß, dass dieser Weg nicht überall positiv angenommen wurde. Anweisungen auszu- führen und auf Arbeitsaufträge zuwarten, ist einfacher als selbst denkend initiativ zu werden und somit auch Verantwortung zu übernehmen. Ich bin aber gegen jedesDiktat.DerBefehlstonliegt mir fern. Ichmuss nicht nach au- ßen strahlen und gönne anderen ihren Erfolg. Ansprechbar bin ich immer und für jeden. Die Philosophie meiner Arbeit ba- siert auf derWeisheit der Sherpa, die als Hochgebirgsträger im Himalaja bekannt sind. Diese besagt, dass nur der ein guter Bergführerist,vondemdieLeute am Gipfel sagen: Wofür haben wir ihn eigentlich gebraucht. Befehle zu geben und Autorität auszuüben entspricht nicht der Sherpa-Mentalität. Diese Ein- stellung teile ich. Was hat sich Nachhaltiges ereignet: Wenn es um das Handwerk allgemein und die Handwerkskammer Koblenz speziell geht und in welchem Zusammen- hang steht das mit ihrem Namen? Als erste deutsche Kammer haben wir uns Ende 2015 einem umfangreichen Bewertungs- verfahren mit allen Zahlen und Fakten zum Haushalt wie auch zu den Rücklagen gestellt. Seit Jahren wird seitens des Bundes- verbandes für freie Kammern e.V. (bffk) eine willkürliche und überzogene Rücklagenbildung derKammern angeprangert. Der bffk hat umfangreiche Unterla- gengeprüft und festgestellt, dass die Sanierung oder der Neubau von Kammerimmobilien trans- parent und nachvollziehbar und die Beitragszahler gleichmäßig belastend, geplant werden. Das transparente Zahlenwerk zeigt, dasswirinderVergangenheitbei allen InvestitionendieGrundsät- ze der Sparsamkeit und Ange- messenheit stets imBlickhatten. Ich denke, die Haushalts-und Vermögensoffenlegung bis zum Immobilienbesitz der Kammer ist auch mit meinem Namen verbunden. Ich habe deshalb ja auch kein Stoppschild vor eine Veröffentlichung meines Gehalts gestellt. Das Koblenzer Finanzmodell, das wir so im Vorstand und in der Vollversammlung beraten und beschlossen haben, ist de- mokratisch strukturiert, korrekt und seriös. Beschreiben Sie bitte das Gesicht, dass Sie der Kammer Koblenz gegeben haben. Es ist ein sympathisches und offenes Gesicht. Es gibt nichts zu verbergen. Da spielt die Compliance-Richtlinie hinein, die besagt, dass keiner Vorteile aus seiner dienstlichen Stellung ziehendarf.Sofährtniemandmit einem Dienstwagen vor, der an sich eigentlich ungeeignet und für den Zweck eine Nummer zu groß ist. Die Kammer strahlt Vertrauen aus. Die Handwerker haben Zutrauen und fühlen sich in allen Belangen, da, wo sie ste- hen angenommen und beraten. DieHandwerkskammerKoblenz ist näher bei ihren Mitgliedsbe- trieben angekommen als bisher. DieMenschen, die imHandwerk arbeiten, wissen, dass ihre Kammer auch dafür sorgt, dass sie in der Gesellschaft und in der Politikwahrgenommenwerden. Dieses klare ungeschminkteGe- sicht derKammer gefälltmir gut. Was bleibt von der Ära Baden? Wie sollen die Handwerker und die Kam- mermitarbeiter sich an Sie erinnern? Worüber wür- den Sie sich freuen? Wenn sie sagen, er hat sein Amt unprätentiöswahrgenommen,war ehrlich, authentisch und hat uns nicht drangsaliert. Ein Feingeist mitStilimÄußerenundEmpathie im Umgang mit den Menschen. Er war unaufdringlich und hat unsere Arbeit wertgeschätzt. Ich freue mich, wenn die Mitarbeiter unabhängig von Amt und Wür- den, mich als fairen Kollegen in Erinnerung behalten. Ich fahre seit mehr als 50 Jahren Rennrad. Da gibt es bei der Tour deFranceeinensogenanntenDo- mestik oder Wasserträger. Das bezeichnet im Radsport einen Rennfahrer, dessen vorrangige Aufgabe es ist, seinen Mann- schaftskapitän und das Team zu unterstützen. Als Helfer sind sie unentbehrlich. Ich habe viel von den sportlichen Werten in meinenJobübernommen. Meine Aufgabe habe ich deshalb eher im Hintergrund organisierend und mitgestaltend wahrgenom- men. Die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt und die Passion, gemeinsam für die Mitglieds- betriebe da zu sein, hat meine Arbeit maßgeblich bestimmt. Ich nehme mich selbst nicht so wichtig, bin kein Raffgeier und lebe den Gedanken, dass das Glück sich vervielfacht, wenn man es teilt. Handwerker sagen schon mal, warum hast du kein Handwerk gelernt, du bist doch einer von uns. Das ist eine solide Bestätigung für meine Philoso- phie, zumal ich ursprünglich das Dachdeckerhandwerk lernen wollte. Dann kam ich über das Jurastudium doch wieder zum Handwerk. Eigentlich schließt sich der Kreis. Was kommt? Was wün- schen Sie der Kammer für die Zukunft? Es ist doch wunderbar, wenn Veranstaltungen wie die „Nacht der Technik“ jährlich Tau- sende Besucher anziehen und Menschen jeden Alters das Handwerk in beeindruckender Weise nahe bringen.Das ist auch Nachwuchswerbungpur.Ebenso der Schokoladenwettbewerb Le Championat du Chocolat à Coblence imKoblenzer Schloss, der2019erneutfürLehrlingeund Meister des Konditorenhand- werks zumThema Impressionen von Form und Farbe europaweit ausgeschrieben wurde. Die Menschen haben sogar Eintritt bezahlt, umHandwerk zu sehen. Handwerk strahlt auf Koblenz und das freut die Macher. Ich schmücke mich nicht mit fremden Federn, Ausstellungen in der Galerie Handwerk, bei- spielsweise die Winterausstel- lung, gibt es schon lange. Schön, wenn sie bleiben und fortgeführt werden. Und der Ruhestand? Ich gehe zurück in die Pfalz und lebe gern, zukünftig nicht als Hauptgeschäftsführer a. D., sondern als einfacher Bürger in einer kleinen Gemeinde. Ich werde einLebenohneZeitdiktat, Terminflut und Repräsentati- onspflichten führen. Es gibt aber Möglichkeiten, mich an unterschiedlichen Stellen zu engagieren, so im Ortsbeirat, selbst bei meinem Fußballver- ein, dem FCK Kaiserslautern. Das Fahrradfahren wird wieder einen größeren Stellenwert einnehmen. Warum zurück in die Pfalz? Ich bin mit einem Pfälzer Mäd- chen verheiratet. Mir wird be- stimmt nicht langweilig. Und Langeweileist,wiederAutorund Filmemacher Julian Pörksen un- tersuchthat,einkostbarerZustand und auch einmal ganz schön! Alexander Baden 2008 mit dem damaligen HwK-Präsi- denten Karl-Heinz Scherhag (1936–2015). Alexander Baden 2018 mit seinem Nachfolger Ralf Hell- rich (rechts) und Präsident Kurt Krautscheid (links). Foto: P!ELmedia Foto: Fotostudio Reuther

RkJQdWJsaXNoZXIy NzU4Mzk=