Handwerk Special Nr. 167 vom 23. Februar 2013 - page 16

Geschichte der Bauhandwerke wird lebendig
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Nr. 167
23. Februar 2013
Reise zum Handwerk
Dort sind seit 15 Jahren Hand-
werker dabei, eine Burg, wie sie
im 13. Jahrhundert hätte gebaut
werden können, mit den Mitteln
und Methoden der damaligen
Zeit zu errichten (anschaulich
unter
Nicht nur der grandiose Dach-
stuhl des Herrenhauses hat es
den Hunsrückern angetan, auch
dasErzählenüberLastkran-Tret-
mühlen, Pferdekarren, massive
Eichentüren oder unzählige
Dachschindeln aus Holz lässt
ihre Augen leuchten.
„Ohne unser Handwerk ging
früher überhaupt nichts amBau,
denn auch Hilfskonstruktionen
wie Gerüste, Leitern oder die
Leergerüste für die Gewölbe
werden von den Zimmerleuten
gefertigt“, klingt stolz auf seinen
Berufbeidem47-jährigenUnter-
nehmer aus Boppard-Buchholz
durch. „In fünf Jahren fahren
wir wieder dorthin und schauen,
wie die fleißigen Handwerker
weitergekommen sind!“
Zimmerei & Holzbau Otto auf neuen und alten Pfaden
Steckbrief: Zimmerei & Holzbau Otto, Boppard
Gegr. 2008 | 9Mitarb. | Holzbau,Aufstockungen,Dachstühle,Haussa-
nierungu.-dämmung, | Tel.:06742/9413551 |
Christian Otto macht deutlich,
dass viele Bau- und Konstruk­
tionsprinzipienbisheuteimZim-
mererhandwerk gelten, „auch
wenn wir in der Fertigung jetzt
vielfach auf Maschinen zurück-
greifen, durch die wir schneller
und mit weniger Körpereinsatz
arbeiten können“. Die alten
Techniken erfahren wieder eine
Renaissance im ökologischen
Bauen mit Holz und Lehm. Ein
Markt, den sich die Otto-Truppe
mit Fachwerksanierungen, aber
auch Aus-, Um- und Neubauten
erschlossen hat.
Der kleine Fachbetrieb feiert im
Sommer erst sein Fünfjähriges,
die gesammelte Erfahrung der
Mitarbeiter umfasst aber leicht
ein Jahrhundert. Respektvoll
spricht der Meister von seinen
vier „alten Herren“, die durch
drei Lehrlinge ergänzt werden,
die er langfristig an seinen Be-
triebbindenmöchte. „Wir setzen
unsereHoffnung ingut ausgebil-
dete junge Mitarbeiter, die wir
nach ihrer Gesellenprüfung hof-
fentlich auch bei uns im Betrieb
halten können. Hierbei ist auch
unser familiäres Betriebsklima
von Vorteil“, das auch durch
eine Reise in die Vergangenheit
gefördert wird ...
Einer ausgeprägten Reise zum
Handwerk gleicht der Weg, den
Christian Otto selbst gegangen
ist. Als Sohn eines Architekten
aus dem westfälischen Minden,
kam er nach Lahnstein, um sei-
nen Zivildienst imKrankenhaus
abzuleisten. Er lernte dort seine
Frau Birgit kennen, trat nicht in
die Fußstapfen seines Vaters,
sondern verdingte sich auf dem
Bau, sammelte Berufserfahrung
in verschiedenen Zimmereien,
schaffte den Sprung vom Hilfs-
zum Vorarbeiter und legte
schließlich erfolgreich die Ge-
sellenprüfung ab. Seit 2002 ist
der Wahl-Hunsrücker Meister
seines Faches und wagte 2008
den Sprung in die Selbststän-
digkeit.
„Aus meiner langjährigen Tä-
tigkeit habe ich gute Kontakte
zu Architekten und Bauherren
gewonnen. Man kennt uns in
der Region und man erkennt
uns, weil wir unserer Arbeit
grundsätzlich in der traditio-
nellenKluft nachgehen“, erzählt
ChristianOttomit einemAugen-
zwinkern. Dass die Besinnung
auf Geschichtliches im Zimme-
rerhandwerk nicht im Wider-
spruch zu neuen Pfaden steht,
verdeutlicht die „Wellnessliege
Otto“. Die hat er gemeinsammit
Zimmerermeister Christian
Otto hat sein Zimmereipro-
fil um eine handwerkliche
Wellnessliege aus wetter-
fester Lärche erweitert, die
er gerade auf der Rhein-
land Bau & Garten in Ko-
blenz gezeigt hat.
seinemVorarbeiterTischlerUdo
Grings entwickelt, auf dessen
Können auch seine Ehefrau und
Buchbindermeisterin Claudia
Theuer-Grings bei der Gestal-
tung von Buchdeckeln gerne
zurückgreift.
„Wellnessliegen gibt’s viele,
aber keine ist so handwerklich
wie unsere!“ Aus Lärche ge-
fertigt, ist sie wetterfest – und
eine lohnendeBeschäftigung für
seine Leute in der Schlechtwet-
terzeit. Gerade erst hat Meister
Otto zahlreiche Besucher bei
der Rheinland Bau & Garten in
Koblenz von denMöglichkeiten
seines alten jungen Handwerks
überzeugt.
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen ...“
Wie Matthias Claudius im 18. Jahrhundert, ergeht es Zimmerer­
meister Christian Otto und seinen Mitarbeitern auch fast ein
halbes Jahr nach ihrem Betriebsausflug ins Mittelalter, ge-
nauer nach Guedelon in Burgund.
Guedelon
Handwerk – lebendig wie im Mittelalter
Fotografische Eindrücke eines Betriebsausflugs in das Jahr 1243
Altgeselle Udo
Grings beim
Zuschnitt: Der
gelernte Tischler
ist bei Chris­tian
Otto gerne Ideen­
geber für Pro-
dukte außerhalb
des klassischen
Holzbaus.
Beeindruckend: Der Dachstuhl
des Herrenhauses und sein ge-
zimmertes „Deckengewölbe“.
Foto: privat
Hilfsmittel von Zimmerer-
hand: Tretmühle, Leitern und
Gerüste (links) und ein Lot.
Fotos: privat
Foto: privat
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