Handwerk im Herbst vom 14. September 2002 - page 3

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Die Not trieb im 19. Jahrhundert
die Pistonos wie so viele dazu, ihre
oberitalienische Heimat zu verlas-
sen. Einer von ihnen wanderte an
die Mosel und verdingte sich hier
1872 beim Bau der Eisenbahn,
arbeitete beispielsweise beim Bau
des Koberner Tunnels mit. Trotz
der mühevollen Arbeit gefiel es
Urgroßvater Pistono an der Mosel
offenbar so gut, dass er sich hier
niederließ und eine Familie grün-
dete - Grundstein einer Bäcker-
Dynastie, denn der Bäckerei und
Konditorei verschrieben sich bis
heute auffällig viele seiner Nach-
kommen.
So heiratete sein Sohn Nikolaus
Pistono 1877 in eine Dieblicher Bä-
ckerei ein. Schon damals gehörte
zum Geschäft eine Gastwirtschaft,
Treffpunkt des ganzen Dorfes. Heu-
te, 125 Jahre danach, hat das Gastro-
nomische mittlerweile das Backen
etwas in den Hintergrund rücken las-
sen. Werner Pistono, Bäcker- und
Konditormeister wie sein Bruder
Edmund, übernahm 1973 mit seiner
Frau Hiltrud den Betrieb von seinem
Vater Josef und schwenkte 1990 end-
gültig ins Hotel- und Restaurantfach
um. „Die Arbeit war so viel gewor-
den, dass wir uns für das eine oder
das andere entscheiden mussten“,
erzählt Werner Pistono. „Bis in die
Nacht hinein in der Gaststube und
morgens um halb vier wieder am
Backofen, das hält kein Mensch auf
Dauer durch.“
Das meinte auch Mutter Maria, die
in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag
feiert und drängte den Sohn zur Ent-
scheidung. Selbst wenn die gegen die
Bäckerei ausfiel - der Ofen, die Knet-
und Rührgeräte aus der eigenen
Backstube sind in die moderne Hotel-
küche integriert. In ihr schwingt un-
ter anderem Pistonos Adoptivsohn
Walter das Zepter und verwöhnt die
Gäste mit der Saison entsprechender
regionaler Küche. Da wäre zum Bei-
spiel der Winzerbraten, eine eigene,
in den kommenden Herbstwochen
besonders gefragte Spezialität, bei
der - natürlich - auch Wein mit im
Spiel ist oder Pistonos Lammbraten,
bei dem das Fleisch aus Werner
Pistonos eigener Schafshaltung
kommt. Der Wein im Hause Pistono
stammt aus eigenemAnbau, inklusi-
ve eines an der Mosel noch eher un-
üblichen Rotweins. „Man muss den
Gästen etwas bieten, damit sie sich
wohlfühlen“, erklärt Pistono. Auf-
merksamer und zuvorkommender
Service ist in dem 24 Mitarbeiter,
darunter 6Auszubildende zählenden
Familienbetrieb - auch Walter
Pistonos Frau Monika arbeitet mit -
sowieso selbstverständlich.
ZumWohl: Wal-
ter, Hiltrud und
Werner Pistono
stoßen mit einem
Glas Roten aus
eigenemAnbau
auf 125 Jahre
Firmen-
geschichte an.
Die Pistonos in Dieblich feiern 125. Geburtstag: Hotel in der 5. Generation im Familienbesitz
Bäcker-Dynastie
mit
gastronomischem Ableger
Im Herbst überraschen
wir unsere Gäste mit
Spezialitäten wie unse-
rem Winzerbraten oder
dem Lammbraten. Dazu
empfehlen wir einen
Wein aus unserem eige-
nen Anbau.“
Werner Pistono, Bäcker-
und Konditormeister so-
wie Gastronom
Gaststätte und Hotel seit 125 Jahren im Familienbesitz Wein aus eigenem
Anbau Regionaltypische Spezialitäten Tel.: 02607 / 218
Steckbrief: Hotel-Restaurant Pistono, Dieblich
HwK-Projekt
mit Ganztagsschulen
Die HwK Koblenz macht Ganz-
tagsschulen das Angebot, sich
mit klaren handwerklich orien-
tierten Projekten zu profilieren.
Der Wettbewerb „Handwerks-
projekte in der Ganztagsschule“
ist eine Herausforderung für die
Beschäftigung der Schüler am
Nachmittag. Die Themen müs-
sen aus den Bereichen Handwerk
- Wirtschaft - Arbeitswelt kom-
men. Dabei bieten die handwerk-
lichen Ausbildungsberufe hinrei-
chend Stoff. Die Projektdauer
sollte mindestens 24 Unterrichts-
einheiten betragen. Darüber
hinaus ist ein methodisch-didak-
tischer Projektplan mit
handlungsorientiertem Ansatz
und Praxisbezug zu erarbeiten.
Die HwK prämiert die 40 besten
Projektideen mit je 100 EURO.
Mitarbeiter der Handwerkskam-
mer Koblenz stehen als „Schul-
paten“ bei der fachlichen Bera-
tung der Projekte zur Verfügung.
Die 50 besten Projektideen kön-
nen sich an einem zweiten Wett-
bewerb für die besten Projekt-
ergebnisse beteiligen.
Infos bei der
HwK Koblenz,
Tel.: 0261/398-
331, E-Mail:
Wer liebt und schätzt ihn nicht -
den Bäcker vor Ort. Mit frischen
Brötchen sorgt er für einen guten
Start in den Tag, ein herzhaftes
Brot lässt sich zu jeder Tages- oder
Nachtzeit genießen. Ein Beruf, der
nicht nur beim Kunden gut an-
kommt, sondern auch Jugendlichen
eine berufliche Perspektive bietet.
Über 300 Lehrlinge werden zur
Zeit in den rund 450 Bäckereien im
nördlichen Rheinland-Pfalz ausge-
bildet. Darunter sind 57 Mädchen.
Im neuen Lehrjahr werden fast 100
Jugendliche ausgebildet.
Einer von ihnen ist Patrick
Krzyko aus Polch (im Bild),
der seine Bäckerlehre in der
Bäckerei Lohner begonnen
hat. „Mir gefällt, was
man aus Teig alles
machen kann. Ich
bin Frühaufsteher,
habe also auch mit
den Arbeitszeiten
keine Probleme“,
begründet er sei-
ne Berufswahl.
Thema Ausbildung:
Über 300 Jugendliche erlernen das Bäckerhandwerk
„Eine Einstellung erfolgt bei uns
grundsätzlich nur über ein Prakti-
kum“, erklärt seinAusbilder, Bäcker-
meister Rainer Pauken. „Die jungen
Leute erkennen, ob der Beruf für sie
passt und wir sehen, ob sie Spaß an
der Arbeit haben. Wir bilden unsere
Fachkräfte für 68 Filialen im Um-
kreis von 85 Kilometern selbst aus.“
Infos zur Ausbildung im Hand-
werk gibt die Ausbildungs-
beratung der HwK Koblenz,
Tel.: 0261/398-323, Fax: -989,
E-Mail:
Internet:
Lehrling Patrick Krzyko
undAusbildungsmeister
Rainer Pauken in der
Bäckerei Lohner
in Polch.
Herr über
Brot
&
Burg
Romantisch schlafen und tafeln bei Bäckermeister Klaus Nickenig
Herren über das Brot sind die
Nickenigs in Kamp-Bornhofen
schon seit langem. Wie lange, weiß
Bäckermeister Klaus Nickenig nicht
einmal genau zu sagen, 200 oder
250 Jahre müssten es schon sein,
dass in seiner Familie gebacken
würde, erzählt er.
Seit zwölf Jahren ist der heute 54-
jährige auch Herr über eine Burg, ge-
nauer: Herr über die Liebenstein, steil
über Kamp-Bornhofen gelegen. Wer
sich mit Klaus Nickenig unterhält,
merkt schnell, dass es anfangs alles
andere als romantische Schwärmerei
war, die den Bäckermeister, dessen
Betrieb zwölf Mitarbeiter und eine
Filiale im benachbarten Kestert zählt,
zum Burgherrn machte. Eher schon
nüchterne ökonomische Überlegung.
„Ich übernahm 1974 den Betrieb in
der Rheinuferstraße von meinemVa-
ter Matthias. Die Bäckerei war an die-
sem Standort nicht beliebig ausbau-
bar. Also habe ich mich darauf ver-
legt, mein zweites Standbein zu er-
weitern.“
Ein Standbein, auf dem die Nickenigs
ebenfalls seit weit mehr als hundert
Jahren stehen, die Gastronomie (als
„Kaffeewirtschaft“, wie es früher
hieß) und die Hotellerie. Ein gemüt-
liches Café mit Terrasse und dazu
zehn Zimmer bot bereits das von ihm
und seiner Frau Anita in den 70er
Jahren umgebaute Haus seiner Vor-
fahren in der Rheinuferstraße; als
Nickenig die Liebenstein pachtete,
kamen Café und ein Restaurant mit
Idee und Verant
wortung:
Karl-Jürgen Wilbert
Redaktion: Jörg Diester, Beate
Holewa, Andrea Düpper
Layout: Jörg Diester, Andrea
Düpper
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr.
Lieselotte Sauer-Kaulbach, Nina
Thom, Markus Gaida, Petra Ritter,
Theresa Havlicek
Herausgeber: HwK Koblenz in
Verbindung mit dem Mittelrhein-
Verlag Koblenz
Fotos: HwK Koblenz, G.
Juraschek, Foto FOCUS, Foto
Baumann
Anzeigen: Hans Kary (verantwortl.),
Rudolf Speich, Informa, RZ-
Anzeigenservice (Tel.: 0261/892-
457), 56070 Koblenz
Techn. Herstellung: Druckhaus
Koblenz
Bäckermeister
und Burgherr
Klaus Nickenig
aus Kamp-
Bornhofen ver-
bindet das
Bäckerhandwerk
mit der Gastro-
nomie.
phantastischem Panoramablick über
das Mittelrheintal hinzu und vor al-
lem fünfzehn mit viel Liebe zum
Detail, mit alten bzw. nach altenVor-
bildern gebauten Möbeln undAcces-
soires eingerichtete Gästezimmer.
Aus dem Her- und Einrichten wurde
im Lauf der Jahre so etwas wie eine
Leidenschaft, ein ebenso zeit- wie
kostenintensives Hobby. Die Gäste,
viele aus Übersee, wissen das roman-
tische Flair zu schätzen. Erst recht
dann, wenn’s in den alten Mauern
stilgerecht noch ein bisschen spukt...
und sei es, dass der Bäckermeister
selbst in Ritterrüstung den möglicher-
weise müden Poltergeistern nach-
hilft...
Bäckerei mit „Burganschluss“ (u.a. Hotel) Tel.: 06773 / 308
Internet:
Bäckerei Nickenig, Kamp-Bornhofen
1294 wurde die
Burg Liebenstein
errichtet, die Bä-
ckermeister
Nickenig heute als
Hotel nutzt - frische
Brötchen und ein-
maliger Rheinblick
inklusive.
Meisterkurse um
Teig & Fleisch
Für Fleischer startet bei der HwK-
Meisterakademie am 2.12. ein
Meistervorbereitungskurs in Teil-
zeit. Im Konditorenhandwerk be-
ginnt Ende Januar 2003 der nächste
Meistervorbereitungskurs - ebenfalls
berufsbegleitend in Teilzeit. Für
angehende Bäckermeister bietet die
HwK-Meisterakademie ab Oktober
2003 einen Meistervorbereitungs-
kurs - auch in Teilzeit. Alle Kurse
finden in Koblenz statt.
Infos und Anmeldung bei der
Meisterakademie der HwK
Koblenz: Tel.: 0261/398-400,
Fax: -990, E-Mail:
Nachwuchs-Wettbewerb:
Bester Bäcker ermittelt
Beim Leistungswettbewerb der
Bäcker amMontag, 9. September,
auf Kammerebene war der 19-jäh-
rige Stefan Schäfer der Beste. Ge-
prüft wurden die besten Bäcker-
gesellen im Bezirk der HwK Ko-
blenz im Brötchen, Blätter- und
Plunderteigteilchen backen und in
der Herstellung einer Butter-
cremetorte.
Stefan machte seine Ausbildung
in der Bäckerei Kurt Wilhelm
Nagel inWeidefeld und wird dort
auch in Zukunft als Bäcker tätig
sein. Der Handwerksberuf Bäcker
war sein klarer Berufswunsch,
denn er hat Interesse und Spaß am
Backen. “Da war das frühe Auf-
stehen nur eine Frage der Ge-
wohnheit.”
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