Handwerk Special Nr. 132 vom 29. August 2009 - page 22

Sortimentsvielfalt und Qualität vom Bäckerhandwerk
Nr. 132
29. August 2009
Handwerk erlebbar machen
Bekannt ist die Kleinst-
stadt Baumholder im
Landkreis Birkenfeld
als eine der größten
US-Garnisonen.
„Abgesehen von der US-Ar-
my leben wir hier in einer
strukturschwachen Region.
Damit muss sich das örtliche
Handwerk auseinandersetzen
und neue Standorte erschlie-
ßen“, betont Dr. Steffen Kohl.
Der promovierte Kaufmann ist
Geschäftsführer der Kohl Brot
GmbH & Co. KG. Seit 1970
wird in Baumholder produziert.
DieBackwarengehendann in29
Filialen in Rheinland-Pfalz und
demangrenzendenSaarlandüber
die Ladentheke.
„Handwerk muss für den Kun-
den erlebbar sein. Er muss
nachvollziehen können, wie mit
handwerklichem Geschick sein
Brötchenentsteht.Nursokönnen
wir uns von der Anonymität der
Discounter abheben“, ist Steffen
Kohl überzeugt. In der Produk-
tionshalle seines Unternehmens
Kohl Brot in Baumholder setzt auf Qualität und Kommunikation
Kurz informiert
Die klassische Vorausset-
zung, einen Handwerks-
betrieb zu leiten, ist der
Erwerb des Meisterbrie-
fes. Liegt dieser nicht
vor, gibt es Ausnahmen.
Im dargestellten Fall der Bä-
ckerei Kohl greift eine Aus-
nahmebewilligung.Indiesem
Zusammenhangmusstenvon
ihm theoretische und prak-
tische Kenntnisse und Fer-
tigkeitenimBäckerhandwerk
nachgewiesen werden.
Infos bei der HwK-Hand-
werksrolle, Tel.: 0261/ 398-
Preisstrategie zum 125-Jährigen
Ob Roggenmischbrot
oder zwei Stücke Blech-
kuchen, vom 17. bis 19.
September kostet dies
in der Bäckerei Hilger
in Rieden/Eifel lediglich
1 Euro und 25 Cent.
Der Familienbetrieb feiert sein
125-jähriges Jubiläum. Am 17.
Bäckerei Hilger aus der Eifel feiert im September eine große Geburtstagsparty
Steckbrief: Bäckerei Hilger, Rieden
Gegr. 1884 | 7 Mitarb. (1 M., 4 L.) | Bäckerei, Hochzeits- u. Motiv­
torten, Lebensmittel | Tel.: 02655/ 1294 |
SeptemberladendieHilgerszum
gemütlichenBeisammenseinmit
Kaffee, Kuchen und weiteren
Leckereien ein. „Wir möchten
uns bei unseren Kunden für
ihre Treue bedanken“, so Frank
Hilger. Der 36-jährige Bäcker-
meister führt den Betrieb seit
1999 in der vierten Generation.
„Wir sind flexibel und gehen
direkt auf Kundenwünsche ein.
Der starke Zusammenhalt der
Familien in jeder Generation ist
unheimlich wichtig“, antwortet
Frank Hilger, gefragt nach dem
Erfolgsrezept seiner Bäckerei.
„Das Handwerk ernährt uns
redlich. Natürlich haben wir mit
neuangeschafftenBacköfenund
Maschinen, der Schaufenster-
frontmit elektrischer Schiebetür
und attraktiver Fassadengestal-
tung auch investiert, sodass
die Bäckerei in neuem Licht
erscheint.“
Als Bäckermeister Johann Josef
Hilgervor125JahrendenGrund-
stein für die Bäckerei legte,
wurden die Backwaren direkt
aus der Backstube verkauft. Die
Hausfrauen gaben auch selbst
vorbereitete Brote und Kuchen
ab, die dann im Ofen gebacken
wurden. 1930eröffnetedie zwei-
te Generation Hilger den ersten
Laden. Umden Lebensunterhalt
aufzubessern, betrieb Johann
Hubert Hilger noch Landwirt-
schaft. Ein Lebensmittelhandel
kam später hinzu. 1967 übergab
eranseinenSohn,Bäckermeister
Ludger Hilger, der nicht nur in
der Backstube modernisierte,
sondern auch die Ladenflä-
che auf 90 Quadratmeter
vergrößerte. Vor zehn
Jahren hat Ludger Hilger
dasZepter seinemSohnFrank
übergeben.
„Unsere Spezialität ist die
individuelle Gestaltung von
Hochzeits- undMotivtorten. Ob
ein Flug durchs All, eine Sight-
seeing-Tour nach New York
oder ein Surfurlaub auf Hawaii,
wirmachen dank essbaren Fotos
und Marzipanmodellagen alles
zu einem süßen Genuss“, verrät
Hilger. Auch die vor 50 Jahren
kreierte Eissplittertorte ist weit
über die Grenzen von Rieden
hinausbegehrt.DiePralinentorte
und selbst hergestellte Pralinen
sind vor allem in der Oster- und
Weihnachtszeit gefragt.
AnSamstagengehen2.000Bröt-
chen über die Ladentheke. „Wir
setzenbeimBrötchenbacken auf
Gärverzögerung.DerTeig lagert
über Nacht, bevor er in denOfen
kommt“,erklärtderBäckermeis-
ter. Um die Nahversorgung für
die Gemeinde und die Gäste im
nahen Feriendorf am Riedener
Stausee zu sichern, gehören
auchLebensmittelzumAngebot.
„VorallemältereKundenwissen
den Service zu schätzen“, weiß
Frank Hilger.
Vater und Sohn gemeinsam in der Backstube: Lud-
ger Hilger (l.) übergab vor gut zehn Jahren die Ge-
schäfte an Sohn Frank.
wurde die handwerkliche Her-
stellung der Backwaren im Film
festgehalten und dient nun in
den Kohl-Filialen als Anschau-
ungsmaterial (auch auf
sehen).
„ProduktionundVerkaufreichen
nicht mehr, um erfolgreich zu
sein. Kommunikation spielt eine
rinnen auf „Schulungen on
the Shop“. „Jede Filiale hat
einen anderen Kundenstamm
und einen darauf orientierten
Schwerpunkt. Überwiegend
jugendliche Käufer erwarten
eine andere Kommunikation als
beispielsweiseSenioren. Darauf
müssen sich unsere Mitarbeiter
einstellen. Beim Handwerk zu
kaufen heißt Qualität, heißt
Sortimentsvielfalt, heißt aber
auch sich Wohlfühlen“, erklärt
Kohl sein Konzept. Das un-
terstreicht auch die einheitlich
orangefarbene Optik, den die
Bäckereiverkaufsstellen Kohl
nach und nach bekommen: „Bei
uns geht die Sonne auf!“
„Um1900 hat meinUrgroßvater
eine Spezereihandlung („Tante-
Emma-Laden“) mit Bäckerei in
Erzweiler betrieben.MeinGroß-
vaterhatsichdannausschließlich
auf die Bäckerei konzentriert
und diese 1961 meinem Vater
übergeben. Seit zwei Jahren
habe ich die Leitung, nachdem
ich jahrelang als Prokurist im
Betrieb war“, erzählt Steffen
Kohl. Er führt den Betrieb mit
Ausnahmebewilligung (siehe
Kasten) in der vierten Genera-
tion. „Ich bin in der Backstube
groß geworden. Sie war meine
Lehrstube. Ich weiß, wie ein
Natursauerteigentsteht.“Ineiner
Sachkundeprüfunghat er vor der
BetriebsübernahmeseineFertig-
keiten unter Beweis gestellt.
500 verschiedene Jahresartikel
sindimSortimentvonKohlBrot.
Doch mit Zahlen und Fakten zu
glänzen, ist nicht die Sache des
Geschäftsführers. „Geerdet sein,
die Dinge in Balance zu halten“,
das ist es, was für ihn zählt. Und
die von ihm und seinem Team
gelebte Einstellung: „Wir sind
nicht weit ab im Hunsrück, son-
dern vorn, in Baumholder!“
Steckbrief: Kohl Brot, Baumholder
Gegr. um 1900 | 200 Mitarbeiter (7 Meister, 40 Lehrl.) | 29 Filia-
len, Bäckerei, Konditorei | Tel.: 06783/ 5823 |
tragende Rolle“, so
der Firmenchef.
So setzt er
bei seinen
120 Fach-
verkäufe-
Schaut täglich in der
Backstube nach dem
Rechten: Dr. Steffen
Kohl mit Konditorlehr-
ling Anna-Maria Becker,
die einen Kuchen mit
Schokoguß veredelt.
Individuelle Hoch-
zeitstorten sind
die Spezialität
der Hilgers.
Foto: Privat
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