Handwerk Special Nr. 146 vom 5. Februar 2011 - page 5

Zum Titel: Glocken aus Maria Laach erklingen in aller Welt
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Nr. 146
5. Februar 2011
HwK-TV beim Glockenguss dabei
HwK-TV, die wöchentliche
Fernsehsendung der HwK
Koblenz, war auch beim
Glockenguss in Maria
Laach dabei – zu sehen
unter
Himmlische Klänge im Feuer geboren
Es hat etwas Apokalyptisches, was von diesem Schauspiel
ausgeht: Es ist heiß und Funken fliegen durch die Luft, hin
und wieder auch etwas flüssiges Metall. Das blubbert bei über
1.000 Grad in einem Ofen vor sich hin. Doch das alles lässt
sich steigern. Nach einem Gebet kippt der Ofen. Ein goldener
Feuerstrahl schießt durch Rinnen. Die Kulisse ist in dicken
Rauch getaucht, durch den Funken sprühen wie kleine Rake-
ten. Und mittendrin steht Bruder Michael Reuter – seelenruhig
und ganz konzentriert auf ein faustgroßes Loch zu seinen
Füßen, im dem gerade zwei Tonnen flüssigen Metalls ver-
schwinden. Willkommen bei den Glockengießern im Kloster
Maria Laach!
Benediktiner und Handwerker: Die Glockengießer im traditionsreichen Kloster Maria Laach
Steckbrief: Glockengießerei Kloster Maria Laach
Gegr. 1999 | 3 Mitarbeiter | Entwurf und Guss von Glocken | In-
ternet:
Es ist historischer Boden, denn
schonvor über 900 Jahrenwurde
direkt amUfer des Laacher Sees
das Kloster gegründet. Das Le-
benandiesemOrtwirdbestimmt
von religiösenWertenunddurch
die Arbeit im landwirtschaft-
lichen oder handwerklichen
Bereich.
EsgibteineKunstschmiede,eine
Töpferei und eine Tischlerei.
1999 goss Bruder Michael die
erste Glocke. Der Beginn einer
erfolgreichenundauchbeeindru-
ckendenhandwerklichenArbeit.
Und zugleichdieFortsetzung ei-
ner jahrhundertealten Tradition,
dennGlockenwurdenimKloster
auch früher schon hergestellt.
Jährlich werden 100
Glocken gegossen
100Glockenerlebenjährlichihre
Geburtsstunde in der Glocken-
gießerei undgehenanschließend
in alleWelt. „Glocken ausMaria
Laach erklingen in Amerika, in
Asien – also wirklich überall“,
berichtet BruderMichael Reuter
als Leiter der Gießerei. Drei
Mitarbeiter fertigen hier aus
„Naturlehm, Stroh und Pferde-
mist“ dieFormderKlangkörper,
die dann millimetergenau auf
einen aus Ziegeln gemauerten
Unmittelbar vor dem Guss
wird gebetet. Dann tritt die
Schmelze ihre finale Reise an
und verschwindet über Rinnen
im Erdreich. „Dabei darf der
Schmelzfluss nicht abreißen“,
erklärt Bruder Michael das
Zusammenspiel mit Mitarbeiter
Markus Schneider am Handrad
des Ofens. Ein eingespieltes
Team, denn nach wenigen Mi-
nuten sind zwei Tonnen Metall
verarbeitet. „Zwischen drei
Kilogramm und vier Tonnen
bringen unsere Glocken auf
die Waage“, beschreibt Bruder
Michael die Größe der Klang-
körper, die sich nun über Tage
oder auch schonmalWochen im
Erdreich abkühlen müssen und
dann ausgegraben werden.
Rustikal geht es zu, wenn mit
Bagger und schwerem Hand-
werksgerät, Bohrhammer und
Flex das Metall „ausgepackt“
unddabeidieGussformzerschla-
genwird.Esfolgteinspannender
Augenblick, der überWohl oder
Wehe der wochenlangen Arbeit
entscheidet: Zum ersten Mal
wirddieGlockemitdemKlöppel
angeschlagen. Erst, wenn der
Glockenton volltönend und mit
der richtigen Frequenz erklingt,
wissen Bruder Michael und
seine Mitarbeiter, ob der Guss
gelungen ist.
Acht Glocken-
gießereien gibt es
heute in Deutsch-
land. „Wir liegen
beiderFertigungs-
zahl auf einem
guten Mittelfeld-
platz“, erklärt der
51-jährigeBruder
Michael eher be-
scheiden.
Da Deutschland aber in der
Weltliga der Glockengießer
(hinter den Niederlanden) auf
einem hervorragenden zwei-
ten Platz liegt, kommt dem
deutschen Mittelfeldplatz im
internationalen Vergleich eine
besondere Bedeutung zu. So
wundert es nicht, wenn die seit
1999 inMariaLaachgegossenen
1.000Glockenheuteweltweit zu
hören sind.
Keine Glocken aus Maria
Laach in Maria Laach
Das Kloster mit seinem Geläute
in der Abteikirche ist allerdings
keine „Eigenproduktion“. „Un-
sere zwölf Glocken wurden
in einer Zeit gefertigt, als es
hier keine Gießerei gab“, ent-
schuldigt Bruder Michael beim
faszinierenden Glockenspiel
im Turm der Kirche, in dessen
Dachkonstruktion noch immer
Balken aus der Bauzeit ihren
Dienst tun … jahrhundertealtes
Holz! „In den Glocken wurden
insgesamt 14 Tonnen Bronze
verarbeitet, deren Klang uns
täglich begleitet. Sie rufen uns
zum Gebet, sie erinnern uns an
die Zeit und sie sind mit uns auf
unserenWegen imKlosteralltag,
bis hin zu unserem letzten Weg
in die Ewigkeit.“
Sätze eines gläubigenHandwer-
kers, die alles sagen über seine
Arbeit. Und über ihn selbst:
Ruhig, bescheiden – und bei
allem der weltweit einzige Be-
nediktinermönch, der Glocken
gießt.
Das wöchentlich neu produ-
zierte Format „HwK-TV“
berichtet über News aus dem
Handwerk wie auch über
Handwerksbetriebe. Zu sehen
sind die Sendungen sowohl im
ProgrammvonTV-Mittelrhein
undWW-TV (jeden Mittwoch
ab 18 Uhr) wie auch imSende-
archiv unter
Dreharbeiten in der
Glockengießerei.
Bruder Michael beim Glo-
ckenguss: Eine flüssige
Kupfer-Zinn-Legierung
bahnt sich ihren Weg in
die unterirdisch vergra-
bene Glockenform.
Der aus Ton geformte Glockenkörper.
Nach dem Guss
wird die Urform
mit schwerem
Handwerksge-
rät zerschlagen.
Bruder
Michael
Reuter.
Seit 1999 werden jähr-
lich in Maria Laach
100 Glocken gegos-
sen – zwischen drei
Kilogramm und vier
Tonnen Gewicht, die
dann zu Kunden in
aller Welt gehen.
Kern aufgetragen wird. Die
Form wird in einer Grube in der
Glockengießerei eingegraben,
denn der Druck des flüssigen
Metalls beim Gussvorgang ist
hoch, der natürliche Auftrieb
drückt die Glockenform nach
oben. Also wird die Form nicht
nur mit Erde abgedeckt, sondern
regelrecht eingestampft. Diese
Zeit der Vorbereitung kann sich
überWochenhinziehen.Mitdem
Anheizen des Ofens beginnt
dann der Gussvorgang.
Kupfer wird zum Schmelzen
gebracht. Bei 1.080° C wird
der Schmelze Zinn zugegeben
– präzise 22 Prozent.
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