Handwerk Special Nr. 176 vom 25. Januar 2014 - page 15

Tobias Katluhn erlernt
bei Monika Drexler das
Uhrmacherhandwerk.
Ein altes Handwerk lebt – Nahversorgung auf dem Lande
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Nr. 176
25. Januar 2014
. . . um die Ecke
Handwerk ist innovativ und modern, Handwerk ist aber auch
der kleine Betrieb um die Ecke, in dem Arbeit und Leben pul-
sieren, der Mittelpunkt für Kommunikation und Begegnung
ist. Ein Beispiel dafür ist eine Bäckerei auf dem Lande, in
Holzappel im Rhein-Lahn-Kreis.
Bäcker Spieß versorgt mit Brot und mehr
Viel Zeit für die Zeit
„Hier tickt’s ganz richtig“, schmunzelt Uhrmachermeisterin
Monika Drexler. Die 42-jährige Geschäftsführerin aus Mayen
ist überzeugt, dass das Uhrmacherhandwerk auch ein Garant
für den Verkauf von Uhren in ihrem Juweliergeschäft Geißler
ist. „Spezialisten werden gebraucht und durch unsere haus­
interne Meisterwerkstatt ist schneller Service garantiert.“
Uhrmachermeisterin aus Mayen verbindet zwei Standbeine
Juwelier Geißler, Mayen
Gegr. 1961 | 9 Mitarbeiter | Uhrmachermeisterwerkstatt, Uhren, Schmuck
| Tel. 02651/ 3302 |
Und in der Tat tickt es überall,
im Laden und in der Werkstatt.
Zahnräder drehen sich und Pen-
del gehen hin und her. Hin und
wieder ertönt ein Gongschlag.
Von der Armbanduhr bis zu
Spindeluhren und Regulatoren,
alten Taschenuhren, antiken
Wanduhren oder Bodenstand-
uhren werden von Monika
Drexler und ihrem Team alle
Reparaturen ausgeführt.
Uhrmacher sind
Individualisten
„Ohne das gewisse Feeling für
den Beruf geht es nicht“, erklärt
dieUhrmachermeisterin.Dashat
ihr ihrVater undFirmengründer,
Uhrmachermeister Franz Geiß-
ler, früh deutlich gemacht. „Wir
Uhrmacher sind Individualisten,
verbringen diemeiste Zeit allein
mit den mechanischen Uhren an
unseremWerktisch. Für die Prä-
zisionsarbeitenanwinzigkleinen
Rädchen, Spiralen und Hebel-
chen benötigen wir eine ruhige
Hand und sehr viel Geduld. Oft
geht es um Haaresbreite“, weiß
sie.IhrLehrling,TobiasKatluhn,
bringtdieseVoraussetzungenfür
Bäckerei Spieß, Holzappel
Übernahme 1982 | 5 Mitarbeiter | Bäckerei-Konditorei mit Lebensmittel-
laden | Tel. 06439/ 309
Seit 1982 führt Konditorenmeister und Bäcker Martin Spieß
seine Bäckerei mit kleinem Lebensmittelangebot. Lehr- und
Wanderjahre führten ihn durch ganz Deutschland und Österreich
– bis er sesshaft wurde und das Geschäft in seiner ursprüng-
lichen Heimat übernahm. „Ich weiß, dass meine Kunden diese
Verbindung sehr schätzen“, erklärt er die Verkaufssymbiose aus
Backwaren, Fleischereierzeugnissen und anderen Dingen für das
tägliche Leben. „Es ist angenehm, schnell mal ein paar Kleinig-
keiten um die Ecke einkaufen zu können, zumal zahlreiche klei-
nere Geschäfte längst dicht machen mussten“, sagt er.
Die Bäckerei Spieß ist aber mehr als ein Kaufladen. Sie ist auch
ein Treffpunkt für Jung und Alt. Man kennt sich untereinander,
genießt am Stehtisch einen Kaffee, isst ein leckeres Brötchen
oder ein Stück köstlichen Kuchen und plaudert. „Ein kleines
Schwätzchen unterstreicht die Kundennähe“, so der Meister, der
sich hin und wieder in das Gespräch einklinkt. So hört er auch,
was besonders gut ankommt und welche Wünsche offen bleiben.
„Zu vielen verbindet mich mehr als ein Geschäftsverhältnis.“
Naturbelassene Vielfalt
Kundentreue ist für Martin Spieß Wertschätzung seiner Arbeit.
„Selbst wenn ich ein größeres Sortiment anbiete, bin ich im Her-
zen Konditor und Bäcker. Das sollen meine Kunden schmecken
und das treibt mich an“, betont er. Er verwendet ausschließlich
naturbelassene Rohstoffe. Fertigmischungen und künstliche
Frischhaltemittel sind für ihn Fremdwörter. Die Backwaren ent-
halten keine chemischen Zusätze. Das Mehl bezieht er von einer
Mühle aus Betzdorf. Täglich frische Backwaren, Brote aus selbst
hergestelltem Sauerteig und 20 Sorten Brötchen gehen über die
Ladentheke. Hier wird er nicht müde, sich immer wieder neue
Kreationen, so Erzeugnisse aus Maismehl, auszudenken. Die
Backstube direkt hinter dem Laden garantiert absolute Frische
der Ware. Sein Angebot passt er der Nachfrage an. Im Sommer
verwöhnt der Konditor Naschkatzen mit Eis und exzellenten
Obsttorten. In der Vorweihnachtszeit freuen sich die Kunden auf
seinen Butterstollen und feine Gebäcksorten.
Mittwochs gönnt sich Spieß einen Ruhetag, sonst wirbelt er
allein in der Backstube. Vier Mitarbeiterinnen sorgen im Wech-
sel für volle Regale und reibungslosen Verkauf. An Zumachen
denkt der 60-Jährige noch lange nicht. Er blickt zuversichtlich,
aber auch mit etwas Sorge in die Zukunft. „Einen Nachfolger ha-
be ich nicht, aber so lange ich kann, mache ich weiter!“
den Beruf mit. Der 23-jährige
hat bereits eineDachdeckerlehre
erfolgreich abgeschlossen. Ge-
sundheitliche Gründe machten
eine berufliche Umorientierung
erforderlich. „Ein Praktikumhat
mich überzeugt“, so Katluhn.
Später möchte er die Meister-
schule besuchen, freut sich
aktuell über eine Übernahme,
die ihm seine Chefin nach be-
standener Gesellenprüfung in
Aussicht gestellt hat.
Monika Drexler liebt ihr Hand-
werk. Sie ist in der Werkstatt
des Vaters groß geworden. „Mit
10 Jahren habe ich Kettchen
gelötet“, erinnert sie sich. Mit
22 Jahren war sie Meisterin, mit
27 Jahren, nach dem frühen Tod
der Eltern, Geschäftsinhaberin.
Sie ist immer wieder besonders
fasziniert, wenn sie ein antikes
Stück in den Händen hält. „Die
älteste Uhr war wohl mehr als
250 Jahre alt.Dawürdemangern
ein Gespräch mit ihr führen und
eintauchenindieGeschichte.Die
Entwicklung der Uhr war ja ein
jahrhundertelanger Prozess und
ein Spiegel wissenschaftlicher
und kultureller Fortschritte. Der
Wunsch, Zeit messen und somit
verstehen zu können, zeigt unser
Bedürfnis, die Welt greifbar zu
machen“, philosophiert sie.
Fachkompetenz und
Herzenswärme
Die Unternehmerfrau hat mit
dem Verkauf von Schmuck ein
zweites Standbein. Mit ihrer
Fortbildung zur Diamantfach-
frau möchte sie den Kunden
die einwandfreie Qualität von
hochwertigemDiamantschmuck
garantieren. „Die Menschen
müssen sich beim Eintritt ins
Geschäft gut aufgehoben fühlen.
Stammkunden kannten meine
Eltern und kennen mich seit
Kindertagen. Deshalb sind mir
neben einem breit gefächerten
Sortiment Freundlichkeit und
Herzenswärme wichtig“, betont
sie.Werte,diesienebenderfach-
lichen Qualifikation auch von
ihren acht Mitarbeitern fordert.
Uhrmachermeisterin Monika Drexler lebt die Leiden-
schaft für ein uraltes Handwerk.
Meis­
ter
Martin
Spieß
hält
alles
wich-
tige
für
den
täg-
lichen
Bedarf
bereit.
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