Viele Wege führen in die berufliche Zukunft im Handwerk
14
Nr. 192
12. September 2015
www.handwerk-special.deDer richtige Mix
„Menschen wollen gut sehen und dabei attraktiv aussehen.
Die Symbiose aus Technik, Medizin, Handwerk und Kun-
denkontakt finde ich an meinem Beruf so spannend und
abwechslungsreich“ sagt Juliane Börsch aus Boppard. Die
20-Jährige möchte Augenoptikerin werden. Sie ist im zweiten
Lehrjahr und wird von Marc Ortstein ausgebildet. Der staat-
lich geprüfte Augenoptikermeister führt das Brillenhaus in
Boppard-Buchholz. Inhaber des Brillenhauses Schneeberger
in Emmelshausen ist die Familie Ortstein.
„Ich wollte mein während der Gymnasialzeit erworbenes Wissen
praxisnah umsetzen. Schon immer habe ich Spaß an handwerk-
licher Arbeit gehabt. Es lag deshalb nah, mich nach dem Abitur
über Möglichkeiten und Chancen einer dualen Ausbildung zu
informieren“, sagt sie. Das Optikerhandwerk interessierte Juliane
besonders. „AlsBrillenträgerinweiß ich, dass einAugenoptiker sich
nicht nur um das Glas für besseres Sehen oder die entsprechende
Kontaktlinse kümmert. Sein Rat ist auch bei der Wahl des zum
Kundentyp passenden Gestells gefragt.“ Ein Praktikum bei ihrem
Optiker überzeugte sie vollends vonderRichtigkeit derBerufswahl.
Augenoptikermeister Marc Ortstein war von der Eigeninitiative
seines Lehrlings sehr angetan. „Juliane weiß genau, was sie will.
Sie ist ein offener kommunikativer Mensch und bringt die richtige
Einstellung zum Beruf mit.“ Sicheres Bedienen optischer Geräte
in der Werkstatt, präzises Arbeiten und spezielles physikalisches
Wissen zählen ebenso dazu wie persönliche und freundliche Be-
ratung im Verkaufsraum.
Für die berufliche Zukunft stehen Juliane viele Optionen offen.
Zunächst nutzt sie das Angebot der Mobilitätsberatung der Hand-
werkskammer (HwK) Koblenz und wird im Oktober zum Lehr-
lingsaustausch nach Cork (Irland) fahren. „Das Gespräch mit der
Mobilitätsberaterin der HwK imVorfeld war sehr aufschlussreich,
so dass ich völlig entspannt reisen kann. Ich freue mich sehr darauf,
Arbeitstechniken und die Ausstattung einer Optikerwerkstatt im
Juliane Börsch lernt Augenoptikerin
Mit „Handwerk Special“ zur Lehrstelle: Marco Blum wird Glaser
Ein Aufruf in Hand-
werk Special vom 13.
Juni führte für den
Lahnsteiner Marco
Blum zur Lehrstelle.
„Ich habe den Artikel gelesen
undwar vonderEigeninitiative
des Jungen sehr beeindruckt.
Über die Pressestelle der HwK
Koblenz bin ich dann an seine
Telefonnummer gekommen
und habe mich bei ihm gemel-
det“, soGlasermeisterMichael
Flicka aus Koblenz. Beide
vereinbarteneinVorstellungsge-
spräch. Es folgte ein 14-tägiges
Praktikum, das in einen Lehr-
vertrag für Marco als Glaser,
Fachrichtung Verglasung und
Glasbau, mündete.
„ÜberdenAnrufvonHerrnFlicka
habe ich mich sehr gefreut. Mit
dem Beruf konnte ich zunächst
nicht so viel anfangen und war
sehr gespannt, was mich erwar-
tet“, erinnert sich Marco.
Aufden„azubi&studientagen“
in der Koblenzer hatte Marco
miteinemHandzettelAussteller
angesprochen und eine Lehr-
stelleimBauhandwerkgesucht.
„Ich dachte an eine Lehre als
Maurer oder Fliesen-, Platten-
undMosaikleger.“Lehrstellen-
angebote als Zerspanungsme-
chaniker oder Maschinen- und
Anlagenführer sprachen den
19-Jährigen nicht an.
Vom Praktikum war er be-
geistert. „Ich konnte selbst
praktisch arbeiten und dabei
feststellen, ob der Beruf Spaß
macht.“„Marcohateinenguten
Eindruck hinterlassen und mir
gezeigt, dass er wirklich Inte-
resse hat. Ich denke, wir sind
auf einem guten Weg“, so der
Meister, der seit 1998 selbst-
ständig ist und fünfMitarbeiter
beschäftigt. Bereits jetzt hat
er Marco nach erfolgreichem
LehrabschlusseineÜbernahme
in Aussicht gestellt.
Lehre in der neuen Heimat
„Mein Chef erklärt sehr
ruhig und verständ-
lich. Er verrät mir so
manchen Trick“, freut
sich Farzan Babakha-
niteymowi aus Koblenz
Der 20-Jährige möchte
Kraftfahrzeugmecha-
troniker werden.
Der Chef ist Kraftfahrzeugtech-
nikermeister Mike Hamalian.
Er hat sich 2009 selbstständig
gemacht und führt in Koblenz
eine freie Reparaturwerkstatt
mit drei Mitarbeitern. Farzan
kommt aus dem Iran und lebt
seit 2011 in Deutschland. Er hat
hier das Fachabitur gemacht und
hatseinedeutschenSprachkennt-
nisse perfektioniert. „Wir sind
zum Christentum konvertiert
und können nicht mehr in den
Iran zurück“, sagt Farzan. Er
will es auch nicht, sondern hier
Wurzeln schlagen. Beruflich ist
er auf einem guten Weg. Über
die HwK-Ausbildungsberatung
fand er den Lehrbetrieb. „Wir
waren von seinem höflichen,
engagierten Auftreten sehr an-
getan und unterstützen ihn gern,
hier Fuß zu fassen“, so Mike
Hamalian. Er ist in Deutschland
geboren, seine Mutter kommt
aus der Türkei, der Vater aus
dem Libanon.
Farzan wird sich ab November
parallel zur Lehre bei der HwK
Junger Iraner will Doppelausbildung schaffen
Koblenz zum Betriebsassis-
tenten im Handwerk fortbilden.
Sein Ziel ist es, später den Mei-
Farzan Babakhaniteymowi (links) und Kfz-Mechatroni-
kermeister Mike Hamalian.
sterbriefzuerwerben.Zurzeithat
FarzandieAufenthaltsgenehmi-
gung für die Zeit seiner Lehre.
Betriebsassistent: So läuft es
Die Ausbildung zum
Betriebsassistenten im
Handwerk ist ein erster
Schritt in Richtung
Meisterprüfung.
So werden die Teile III und IV
der Meisterprüfung, Betriebs-
wirtschaft und Arbeitspäda-
gogik, mit dem AdA-Schein
(Nachweis der Ausbildereig-
nung), der im Rahmen der
Zusatzqualifikation erworben
wird, abgedeckt. Die Ausbil-
dung umfasst 400 Stunden
und dauert 18 Monate. Neben
Pflichtmodulen für alle Ge-
werke gibt es Wahlmodule,
deren Inhalte auf das entspre-
chendeAusbildungshandwerk
abgestimmt sind. Beispiele für
PflichtmodulesindGrundlagen
der CNC- und Lasertechnik,
CAD,MarketingundBetriebs-
wirtschaft. Auskünfte gibt es
unter Tel. 0261/398-321.
Ausland kennenzulernen. Der Blick über den Tellerrand schärft die
Sinne und ist sicher auch menschlich ein Gewinn.“ Marc Ortstein
unterstützt den Austausch seines Lehrlings und erwartet Juliane
mit vielen neuen Eindrücken zurück. „Die Betriebe können ebenso
profitieren, wenn die jungen Leute dann voller Ideen und motiviert
ihre Lehre fortsetzen.“
Juliane Börsch finanziert den Aufenthalt mit einem Stipendium
aus dem Programm SINDBAD der Sequa. Die Mobilitätsberatung
der HwK Koblenz wird gefördert vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie.
Infos zur HwK-Mobilitätsberatung:
mobira@hwk-koblenz.de.
Juliane Börsch und Augenoptikermeister Marc
Ortstein im Geschäft in Boppard.
Marco Blum und Glasermeister Michael Flicka.