Handwerker restaurieren für Handwerker eine alte Werkstatt
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Nr. 141
7. August 2010
Visionen Leben einhauchen
Aufwändige Farbigkeit,
fast üppige Dekoration
machen die Keramiken
von Charlotte und Sigerd
Böhmer unverwechselbar.
Unverwechselbar auch
das Ambiente, in dem sie
produziert und präsentiert
werden: das Anwesen
in der Bergstraße 3 von
Höhr-Grenzhausen.
Rund 40 Jahre ruhte hier die
Produktion, bis das Keramiker-
meister-Ehepaardenehemaligen
Euler-Betrieb – Euler, von latei-
nisch „ulla“, der Krug, werden
imKannenbäckerlanddieTöpfer
genannt – für sich entdeckte. Die
älteste schriftliche Erwähnung
belegteinHandelsregistereintrag
von 1864, derWerkstattstandort
dürfte aber weit ins Mittelalter
zurückreichen.
Wiederbelebung
einer „Ruine“
„Wir hatten beim Anblick der
‘Ruine’, deren Ursprung in die
ersteHälfte des 18. Jahrhunderts
zurückreicht, eineVision, wie es
werden kann – so, wie wir un-
sere Keramik bereits vor Augen
haben, wennwir den Ton auf die
Töpferscheibelegen“,beschreibt
Sigerd Böhmer die damaligen
Eindrücke. Aus dem Leben in
der Baustelle ist nach 16 Jahren
„einLeben fastwie imMuseum“
geworden. „Die ursprüngliche
Atmosphärewarnocherkennbar,
die tragenden Teile waren intakt
undVeränderungenausdenJahr-
zehnten hielten sich in Grenzen.
Während imOrtskernzahlreiche
alte Häuser abgerissen wurden,
haben wir halb Höhr recycelt
und bei uns die historischen
Baumaterialien für Reparatur
und Ausbau genutzt.“
Keramikermeister Böhmer: Modernes Design in historischem Ambiente
Steckbrief: Keramik Böhmer, Höhr-Grenzhsn.
Gegr. 1994 | 2 Meister | Gefäß- und dekorative Keramik, Ge-
schirre, Unikate und Kleinserien | Tel.: 02624/ 5110
Gemeinsam mit Handwerkern,
die sich auf denkmalgerechte
Technikenverstehen (s.Kasten),
haben sie aus einem abriss-
reifen Schandfleck ein Objekt
geschaffen, das 2004 unter
Denkmalschutz gestellt wurde
– liebevoll restauriert, ganz
ohne denkmalrechtliche Auf-
lagen. Neben dem Wohnhaus
mit Werkstatt gehört auch das
über demriesigenKannofen von
1870 errichtete Ofenhaus aus
den frühen 1920er Jahren dazu
(mehr unter
Hier stellen die Böhmers ihre
Keramiken aus.
Keramikgestalter
mit weitem Horizont
Die Töpferware trägt insbe-
sondere die Handschrift von
Charlotte Böhmer, die aus
Höhr-Grenzhausen stammt und
ihr Handwerk je zur Hälfte in
Hillscheid und auf der Insel Juist
erlernt hat. Der Berufseinstieg
ihres Ehemanns Sigerd dagegen
fand im Schwäbischen statt.
Getroffen haben sie sich dann in
der Mitte – über die Fachschule
für Keramikgestaltung in der
Westerwaldstadt.
„Mit unseren Keramiken spre-
chen wir alle Generationen an“,
erläutert CharlotteBöhmer, „die
Seniorin, die an ihre alte Teig-
schüssel erinnert wird genauso,
wie den Studenten, der die eine
Tasse für seinen Schreibtisch
findet.“ Insbesondere über
Töpfermärkte im Umkreis von
100 km haben sie einen Kun-
denstamm gewonnen, Kataloge
oder das Internet spielen eine
untergeordnete Rolle. „Unsere
Produkte sind jedes für sich
einmalig. Sie sind dreidimensi-
onal, man muss sie gesehen und
gefühlt haben.“
Und sie spiegeln die Persön-
lichkeit des Gestalters wider,
weniger dessen Regionalität.
Charlotte und Sigerd Böhmer an ihren Drehschei-
ben: War 1994 die Werkstatt der einzige intakte
Raum des Hauses, stellt sie heute die letzte ver-
bliebene Restaurierungsaufgabe dar.
Handwerker bei der Restaurierung
Dachdeckermeister Werner Risch, 56218 Mülheim-Kärlich, Tel.:
0261/ 2928,
acheindeckung)
Malermeisterin Marita Meurer, 56203 Höhr-Grenzhausen, Tel.:
02624/ 8528,
alerarbeiten)
Schreinerei J & M Baumann, 56459 Brandscheid, Tel.: 02663/
6275,
reppen)
StuckateurmeisterJürgenTheis,56237Deesen,Tel.:02626/78769,
ußenputz)
Heute ein Schmuckstück in Höhr: Wohn- und
Werkstattgebäude mit dem Ofenhaus.
Die Eulerei zu Beginn der Wiederherstellung ...
Foto: privat
... und während der Rekonstruktion am Ofenhaus.
Foto: privat
„Wie der Herr, so’s Gescherr“,
deutet Sigerd Böhmer die alte
Redensart um und beschreibt
damit auch das Ambiente, das
sie sich zumLeben undArbeiten
geschaffen haben.
Aufwändig in Farbigkeit und Dekoration
– das Schaffen der beiden Böhmers.
