Meister ziehen ihre persönliche Bilanz / Wie Integration gelingt
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Nr. 198
9. April 2016
www.handwerk-special.deGut integriert
„Wir können Integration“, ist Kurt Krautscheid,
Präsident der Handwerkskammer (HwK) Koblenz,
überzeugt. Er verweist auf zahlreiche Beispiele aus
Handwerksbetrieben die zeigen, dass die Willkom-
menskultur im Handwerk gelebt wird. Zusammen mit
Karl-Ernst Starfeld, Leiter der Agentur für Arbeit Neu-
wied, besuchte der Kammerpräsident kürzlich Brhane
Mussie im Autohaus Hof in Neuwied.
Der 23-Jährige kommt aus Eritrea und lebt seit Sommer 2014 in
Deutschland. Er möchte Kfz-Mechatroniker werden und sieht
seine Einstiegsqualifizierung im Neuwieder Kfz-Unternehmen
als Chance auf einen Ausbildungsplatz in diesem Betrieb. Die
Geschichte seiner Flucht begann im Oktober 2014. Über Äthi-
opien und den Sudan gelangte Brhane nach Lybien. Zusammen
mit 250 Menschen ging es mit einem Flüchtlingsboot über
das Mittelmeer nach Italien und später nach Deutschland. Auf
München folgte die Erstaufnahmeeinrichtung in Trier und dann
Neuwied. Hier traf er auf den ehrenamtlich tätigen pensionierten
Polizisten Bernd Parschat-Conrad und die „Flüchtlings-Netzwer-
kerin“ der Handwerkskammer (HwK) Koblenz, die seine weitere
Entwicklung maßgeblich positiv begleiteten.
Im Rahmen des Projektes Ausbildungscoach helfen die Netzwer-
ker der vier rheinland-pfälzischen Kammern in Zusammenarbeit
mit dem Mainzer Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz,
Energie und Landesplanung und den Agenturen für Arbeit,
Flüchtlingen und Asylbewerbern bei ihrem Weg in einen neuen
Lebensabschnitt. Sie schafften es, für Brhane einen Betrieb zu
finden, in dem er seinen Berufswunsch verwirklichen kann.
Wenn er ein Bleiberecht erhält, wird seine Einstiegsqualifizie-
rung ab August in eine Lehrstelle im Neuwieder Autohaus mün-
den. Auch dafür engagieren sich die HwK-Mitarbeiterin und der
ehrenamtliche Helfer.
„Es ist eine wunderbare menschliche Erfahrung, die wir mit dem
jungen Eritreer machen. Wir können nur empfehlen, Flüchtlin-
gen die Möglichkeit zum Lernen einzuräumen. Ihre gezeigte
Dankbarkeit berührt uns“, so Kraftfahrzeugtechnikermeister
Frank Hof. Er spricht perfekt Englisch. Seitdem der junge Mann
vormittags einen Deutschkurs besucht, klappt die Verständigung
am Nachmittag im Betrieb auch auf Deutsch immer besser.
Wenn Brhane Mussie
im Spätsommer die Berufsschule besucht,
möchte er nicht an Sprachbarrieren scheitern.
Informationen zur Ausbildung von Flüchtlingen bei der HwK
Koblenz, Tel. 0261/ 398-333,
aubira@hwk-koblenz.de.
23-Jähriger aus Eritrea lernt bei Hof
Meistertitel in Sport und Handwerk
Das rheinland-pfälzische
Radsportteam Kuota-
Lotto geht ab sofort
zusammen mit dem
Handwerk auf Punkte-
und Siegejagd.
Die „Wirtschaftsmacht von
nebenan“ fährt dank eines Auf-
nähers auf der Teamkleidung
mit und steht für die Botschaft:
Hinter jedem Meistertitel steht
eine besondere Leistung!
Ihr Blick geht nach vorn
Als die Gold- und Silber-
schmiedemeisterin 2006
als Jahrgangsbeste unter
den 1.100 Jungmeistern
ausgezeichnet wurde,
hieß sie noch Annette
Aulenbacher. Heute trifft
man Annette Schneider.
Fortsetzung von Seite 15
Die39-Jährige ist verheiratetmit
Dirk Schneider, der ebenfalls
Goldschmied ist und imgleichen
Jahr seinenGroßenMeisterbrief
bei der HwK Koblenz erhielt
Mit dem Meisterbrief wächst auch die Verantwortung
Annette Schneider reizt besonders die technische Seite des Gold- und Silber-
schmiedehandwerks. Ihre Berufswahl hat sie nie bereut.
wie sie. Beide sind Eltern des
fünfjährigen Finn. „Gekannt
haben wir uns aber schon vor
der Meisterschule.“
Seit 2001 arbeitet die Handwer-
kerin aus Idar-Obersteinerin in
der Diamant-Schmuck-Manu-
faktur Giloy & Söhne in der
Edelsteinmetropole. Das Un-
ternehmen ist eine feste Größe
im Diamantschmuckmarkt,
mit direktem Zugriff auf alle
Diamantmärkte weltweit. Für
die junge Frau bedeutet das
auch tägliche Herausforderung.
Mit demMeisterbrief wuchs ihr
Verantwortungsgebiet.
Seit sie Meisterin ist, koordi-
niert sie den Modellbau mit 15
Mitarbeitern. Dort werden die
Urformen und Prototypen für
Schmuckstücke gefertigt, die
dann als Serien deutschlandweit
aufgelegt werden. Mit einem
Wachsdrucker wird die erstellte
CAD-Vorlage geplottet und
dann in Silber gegossen. An der
Werkbank bekommt das Silber-
modell dann den Feinschliff.
Neben filigranster Handarbeit
nutzt Annette Schneider auch
CNC- und Lasertechnik.
„Vor allem die technische Seite
an meinem Handwerk reizt
mich. Es ist ein optimaler Ar-
beitsplatz.“ Sie erzählt, dass die
Präzisionsarbeit im Modellbau
ihr bei ihrem Meisterstück,
einer Armbanduhr mit selbst
entwickelter Schließe für einLe-
derarmband, sehr geholfenhabe.
„Alles musste genau passen. Es
heißt nicht vonungefähr: präzise
wie ein Uhrwerk“, lacht sie.
Fazit: Wie Guidio Stroh und
Thomas Jahnen schaut Annette
Schneider zufrieden zurück, vor
allemaber nachvorn. Sie sindmit
dem Meisterbrief auf ihrem be-
ruflichen Weg vorangekommen
und haben sich ihre Wünsche
erfüllt. Das Handwerk ist eine
solide Basis für die Karriere, sei
es alsMeister imBetrieboder als
selbstständiger Unternehmer!
Karl-Ernst Starfeld, Leiter der Agentur für Arbeit,
Neuwied (links) und Kurt Krautscheid, Präsident
der Handwerkskammer Koblenz, besuchen den
jungen Mann aus Eritrea im Autohaus Hof in Neu-
wied. Zweiter von rechts: Kraftfahrzeug-Techni-
kermeister Frank Hof.
Team-Manager Florian Monreal überreicht Kurt Kraut-
scheid ein signiertes Trikot mit Handwerks-Logo.