Handwerk Special Nr. 98 vom 21. April 2004 - page 14

Töpfermeisterin Klothilde Giefer-Bahn wird 80
„Manchmal kribbelt
es noch...“
Ein Leben für die Keramik / Ausstellung in der Galerie Handwerk
21. April 2004
Nr. 98
„Ich hatte ein erfülltes Leben, einen Beruf, den ich über alles lie-
be und in dem ich mir immer wieder Ziele gesetzt habe und einen
Partner, der mich in meinem Schaffen stets unterstützt hat“,
schätzt Töpfermeisterin Klothilde Giefer-Bahn aus Höhr-
Grenzhausen ein. In Kürze feiert sie ihren 80. Geburtstag. Ihr
Leben ist ein Leben mit und für die Keramik. „Manchmal krib-
belt es heute noch in den Fingern“, gesteht die Jubilarin, die ihr
Lebenswerk bei ihrem Sohn Roland, Keramikermeister und Ober-
meister und Landesinnungsmeister der Keramiker-Innung
Rheinland-Pfalz, gut aufgehoben und weiter entwickelt weiß.
Die Tochter eines Koblenzer
Tischlermeisters kam
schon früh mit „schön-
geistigen Dingen“ in
Berührung. „Unser
Vater hat uns Kinder
oft zu unterschiedli-
chen Ausstellungen
mitgenommen, die
Kunst spielte immer
eine Rolle in unse-
rem Haushalt“, er-
innert sie sich. Sie
berichtet vom ge-
meinsamen Musi-
zieren der Familie,
vomMaltalent des
älteren Bruders.
Sie erzählt, dass
sie 1935 als Elf-
jährige mit dem
Vater zu Fuß,
Geld für einVer-
kehrsmittel
war nicht da, von Koblenz nach
Höhr marschiert ist, als dort die
Keramikfachschule eröffnet
wurde. „Ich dachte, ich bin im
Himmel“, habe sie damals beim
Anblick der weiß gekleideten
Menschen an der Töpferschei-
be gedacht. Da sei ihr Berufs-
wunsch geboren worden. „Et-
was Schöneres als zu modellie-
ren gibt es nicht.“
Leben mit der Keramik
Als 14-jährige trat sie ihre Leh-
re bei der bekanntenKeramiker-
meisterin Elfriede Balzar-Kopp
in Höhr-Grenzhausen an. „Ich
habe sehr viel mit den Augen
gelernt“, weiß sie. Ihr Gesellen-
stück, einen Krug, habe sie spä-
ter verhamstert, berichtet Klot-
hilde Giefer-Bahn. Sie erzählt
von den Kriegszeiten, in denen
sie mit ihrem Vater über Land
fuhr und Keramik gegen Butter
und Brot eintauschte. „Ich habe
gearbeitet, um zu leben“, be-
kennt sie. Sie streift kurz die
Studienjahre an der Fachhoch-
schule, die sie 1945 mit dem
Staatsexamen als Keramik-In-
genieurin abschloss. „Ich woll-
te die chemischenAbläufe beim
Brennen verstehen“, begründet
sie das Studium. Sie berichtet
von ihrer Meisterprüfung 1947.
„Meister sein heißt mit Hand
und Kopf zu arbeiten, eigene
Grenzen auszuloten, das höchst
Machbare zu erreichen“, philo-
sophiert sie. Die Keramik, spe-
ziell der Salzbrand, bestimmten
fortan das Leben von Klothilde
Giefer-Bahn. In der für den
Westerwald typischenRed- und
Knibisstechnik, einem plasti-
schenVerzierungsverfahrenmit
dem Redholz und dem Kni-
bisholz, brachte sie es zu aner-
kannter Meisterschaft. „Die
Töpferei war in mir, ich war
ruhelos, die Ideen und Gedan-
ken haben mich nicht losgelas-
sen, ichwollte erfahren, was ich
sein kann“, sagt sie. Anfangs
modellierte die junge Meisterin
in einer angemieteten Garage
und brachte ihre Gegenstände
zum Brennen zu einem Kolle-
gen. Das änderte sich, als die
Familie 1963 ins eigene Heim
in Höhr zog. Ein Gasofen ge-
hörte zu den ersten großen In-
vestitionen.
Keramiker waren Könige
„In den 70er und 80er Jahren
waren wir Keramiker Könige“,
erzählt sie. Ihre Augen strah-
len, sie denkt an die vergange-
ne Zeit. „Ich bin meinem Stil
immer treu geblieben“, sagt
sie. Liebevoll streichelt sie
die Figuren, die sie überall
in ihrem Wohnraum umge-
ben. Groß und plastisch sind
ihre Arbeiten, die grotesken
Tierfiguren ebenso wie die
Gefäße undSkulpturen. Blau,
Braun und Schwarz domi-
nieren bei ihren Farben.
„Kobalt ergibt blau, Man-
gan braun und Eisen
schwarz. Ich schlemme sie
mit demTon auf, male die
eingeschnittenen Kontu-
ren aus und brenne die
Gefäße bei 1280 Grad.
Dann kommt das Salz
hinzu“, erklärt sie den Ent-
stehungsprozess ihrer Arbeiten.
Etwas wehmütig ist sie, wenn
sie darüber resümiert, dass es
heute weitaus schwerer ist, für
und von der Keramik zu leben.
„Keramik ist zum Luxusartikel
geworden, die Leute sind zu-
rückhaltend im Geldausgeben,
weil sie verunsichert sind. Das
ist meine Wahrheit, auch wenn
es pessimistisch klingt.“
Unermüdlich im Ehrenamt
Jahrzehnte arbeitete Klothilde
Giefer-Bahn im Meisterprü-
fungsausschuss der HwK Ko-
blenz. „Ein Ehrenamt ist keine
Last. Das, was man gibt, be-
kommt man zurück“, ist sie
überzeugt. „Es befriedigt, wenn
man sein Wissen an die junge
Generation weitergeben kann“,
sagt sie. Zahlreiche Urkunden
verweisen auf ihr Engagement,
bestätigen ihr pädagogisches
Geschick im Bezug auf die Ar-
beit mit jungenLeuten. 30Lehr-
linge hat sie während ihrer akti-
venBerufstätigkeit ausgebildet.
Fit hält sich Klothilde
Giefer-Bahn beim
täglichen Schwim-
men im hauseigenen
kleinen Becken – im
Freien, „Im Som-
mer wie im Win-
ter“, bekennt
sie.
Das Keramik-
museum Wes-
terwald veran-
staltet zu Eh-
ren der Jubila-
rin eineAusstel-
lung mit ihren
Werken. Sie ist
bis zum 16.
Mai geöffnet.
Salzbrandkeramik hat eine
jahrhundertealte Tradition.
Seit etwa 600 Jahren wird
sie vornehmlich im Kan-
nenbäckerland um Höhr-
Grenzhausen und Rans-
bach-Baumbach hergestellt.
Salzbrand ist eine Glasur,
die durch Salz entsteht, das
beim Erreichen der Spitzen-
temperatur um 1280°C in
den Ofen geworfen wird.
Dabei zersetzt sich das Salz
und seine Bestandteile wer-
den flüchtig. Der hierbei
frei werdende Natriumoxid-
anteil verbindet sich mit
dem Aluminiumoxid und
dem Siliziumdioxid der hei-
ßen Ware und bildet eine
Glasur.
Salzbrandkeramik
Ausstellung „Made in Stipshausen“ in der Galerie Handwerk in Herrstein noch bis zum 15. Mai
Klothilde Giefer-Bahn kann auf ein erfülltes Arbeits-
leben zurückblicken
Jede
Arbeit
trägt ihre
persönli-
che
Hand-
schrift
Klein, aber hochfein: Hinter „Made in Stipshausen“ verbergen sich Schmuck und Steine von sieben
Stipshausener Edelstein- und Schmuckdesignern, die in der Galerie Handwerk in Herrstein erstmals
gemeinsam ausstellen. Als Auftakt der diesjährigen Ausstellungsreihe in Herrstein bietet die Hand-
werkskammer Koblenz den Schmuckdesignern Jutta Munsteiner, Jennifer Sauer und Jörg Stoffel so-
wie den Edelsteindesignern Claudia Adam, Bernd und Tom Munsteiner und Thomas Stoffel in ihrer
Galerie ein Forum zur Präsentation ihrer Kreationen, denen eines gemeinsam ist - eine un-
verwechselbare, individuelle Handschrift. So könnte dann auch bald das Design „Made in
Stipshausen“ als Markenzeichen für Schmuck der besonderen Art firmieren. Die Ausstel-
lung ist bis zum 15. Mai, montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr sowie samstags von 12
bis 17 Uhr in der Galerie Handwerk in Herrstein, Schlossweg 6,
zu sehen.
Erstklassige Arbeiten wie diese zeigen die sieben
ausstellenden Designer in der Galerie Handwerk.
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17
Powered by FlippingBook