Handwerk Special Nr. 177 vom 22. Februar 2014 - page 16

Neue Wege der Nachwuchswerbung in Polcher Großbäckerei
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Nr. 177
22. Februar 2014
Beim Aktionstag im Einsatz
(v.l.): Beirat Professor Klaus
Peter Emde, Achim Lohner,
Christine Lehnen, Ellen
Lohner und Helmut Moll.
Der nächste Meisterkurs
für Bäcker beginnt am
8. September in Teilzeit
(mo&di&do,17-21 Uhr) in
Koblenz.
Infos & Anmeldung bei der
HwK-Meisterakademie:
E-Mail
Meisterkurs
Bäcker
Info-Tel. 0261/ 398-315
Aus dem Hörsaal in das Handwerk
Raus aus dem Hörsaal,
rein ins Handwerk: Für
„Die Lohners“ in Polch
sind ungewöhnliche
Lebensläufe eine gute
Startvoraussetzung. Und
so haben Absolventen
der unterschiedlichsten
Schulen und Bildungsein-
richtungen eine Chance.
Überfüllte Hochschulen und die
sehr oft mäßigen Perspektiven
für Akademiker in spe bringen
junge Frauen und Männer ins
Grübeln. Doch diejenigen, die
„Die Lohners“ in Polch geben auch engagierten Umsteigern eine Chance
Achim Lohner GmbH & Co. KG, Polch
Gegr. 1913 | 1.400 Mitarbeiter | Bäckerei mit 120 Verkaufsstellen |
Tel. 02654 / 9484-0 |
sich trauen, in ihrem Studenten-
leben einen Schlussstrich zu
ziehen und in eine reguläre
Berufsausbildung zu wechseln,
sind selten. Auch aus Sicht der
Arbeitsagentur Koblenz-Mayen
sind solche Laufbahnen immer
noch untypisch.
„Der Trend geht immer noch zu
SchuleundHochschule“, bedau-
ert Susanne Guth. Für die Team-
leiterinBerufsberatungimRaum
Mayen war der Ausbildungstag
beiLohners,derkürzlichinPolch
über die Bühne ging und an dem
sich auch die HwK Koblenz
beteiligte, eine gute Sache.
Denn viele Jugendliche kamen
gemeinsam mit den Eltern, die
sich davon überzeugen konnten,
dass eine praktischeAusbildung
oft die bessere Wahl ist.
Zu denjenigen, die ganz bewusst
etwas verändert haben, gehört
Christine Lehnen. Die heute
26-Jährige studierte nach dem
Abitur zunächst Geologie und
arbeitete in den Ferien bei den
Lohners. Der Einsatz im Ge-
schäft gefiel ihr so gut, dass sie
auf eine verkürzte Ausbildung
zur Fachverkäuferin umsattelte.
Die junge Frau erkannte, dass
die Lehre mehr als Verkaufen
ist und unter anderembesondere
KenntnisserundumdieProdukte
und die strengen Hygienevor-
schriften erforderlich sind. Und
dieVorgesetzten? Sie erkannten
das Talent der jungen Frau.
Schonvor derAbschlussprüfung
im Januar durfte sie die Ge-
schäftsstelle in ihrerHeimatstadt
Cochem leiten.
Nach erfolgreichem
Abschluss in die Lehre
Einen ähnlichen Schritt ging
Martina Schneiders aus Pom-
mern, die ihr Studium der
Kunstwissenschaft, Pädagogik
und Philosophie in Koblenz
als Magistra Artium (M.A.)
abschloss. „Ich habe sogar drei
Jahre Kunst an einer Schule
unterrichtet“, berichtet die heute
31-Jährige. In dieser Zeit ent-
stand der Wunsch, eines Tages
ihr eigenes Café zu eröffnen.
Sie rief bei Ellen Lohner an und
konnte als Lehrling anfangen.
Heute ist die Konditorin in spe
im zweiten Lehrjahr.
Achim Lohner fördert solche
kreativen Karrierewünsche
gerne. „Wir müssen etwas
tun“, betont der Bäckermeister,
der die Nachwuchswerbung
im Nahrungsmittelhandwerk
forciert hat. Der jüngste Ausbil-
dungstag war ein neuer Beitrag
dazu.AchimLohnerweißgenau,
wovon er spricht. Vor 35 Jahren
übernahmerdie1913vomGroß-
Martina Schneiders wagt einen Neustart als Kondi­
torin – nach einem erfolgreich absolvierten Magister­
studium an der Universität in Koblenz.
vater gegründete Bäckerei und
brachte das Kunststück fertig,
einen Musterbetrieb mit 1.400
Mitarbeitern aufzubauen.
Für das neue Lehrjahr, das im
Spätsommer beginnt, will der
Großbetrieb rund 80 Lehrlinge
einstellen – für die Produktion,
für den Verkauf und fürs Büro.
Das sind Zahlen, die man an-
sonsten nur aus der Industrie
kennt. Dennoch mögen Achim
Lohner und seine Ehefrau Ellen
den Vergleich überhaupt nicht.
„Wir pflegen das Handwerk“,
betonen beide.
In der Tat geht es in Polch nicht
um Wachstum um jeden Preis.
Zwar betreiben „Die Lohners“
inzwischen rund 120 Geschäfts-
stellen, dochwirdderAktionsra-
dius nicht beliebig ausgeweitet.
„Maximal 120 Kilometer, sonst
leidet die Frische“, erklärt der
neue Geschäftsführer Helmut
Moll, der seit Herbst 2013 ins
Management eingestiegen ist.
Der Bäckermeister, Konditor
undBetriebswirt desHandwerks
teiltdiePhilosophiederGründer.
Technik ist für ihn nicht das
Maß aller Dinge. Sie soll für
dieMitarbeiter da sein und nicht
umgekehrt. „Die Produktion
erfolgt immer noch von Hand“,
erklärt HelmutMoll. „Es ist aber
nicht so, dass unsereMitarbeiter
Mehlsäcke schleppen“, ergänzt
Ellen Lohner und widerspricht
damit einem alten Vorurteil.
Ein neues Format:
Der Ausbildungstag
Bei der Nachwuchswerbung
setzen „Die Lohners“ auf Trans-
parenz. Betriebsführungen sind
nach Anmeldung eigentlich
immer möglich. Der Ausbil-
dungstag war gewissermaßen
eine Ergänzung. Auch mit
UnterstützungderjungenSchau-
spielerin Isabell Horn gelang
es, die baldigen Schulabgänger
neugierig zu machen. „Schon
im Zuge der Werbung für die
Großveranstaltung kamen rund
65BewerbungeninsHaus“,freut
sich Helmut Moll, der aber auch
Wert darauf legt, dass es einganz
normalesBewerbungsverfahren
gibt – Probepraktika inklusive.
„Wir sind offen für Absolventen
aller Schularten“, betont El-
len Lohner. Das heißt: Auch
Hauptschulabsolventen sind
willkommen.
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