Handwerk Special Nr. 95 vom 17. September 2003 - page 11

Ein Haus zum Wohlfühlen
Junges Wohnen im alten Gemäuer
17. September 2003
Nr. 95
Neun Wohnebenen
Einige Zeit können die Simons
die Geschichte des Hauses, das
ursprünglich aus drei kleinen
Häusern bestand, die später zu-
sammengefügt wurden, zurück-
verfolgen. Paul Pellio,Vater von
Yvonne undTischlermeister, er-
zählt, dass er selbst im Haus
groß geworden ist. Bereits sei-
ne Großeltern haben hier ge-
lebt. Das Haus wurde von Ge-
neration zu Generation weiter-
gegeben. Mit Yvonne wohnt
jetzt die vierte Generation hier.
Im vergangenen Jahr hat sich
das Gesicht des Hauses außen
und innen grundlegend verän-
dert. Heute leben die Grund-
schullehrerin und der promo-
vierteWissenschaftler im zwei-
geschossigen Wohnhaus auf
neun Wohnebenen. 180 Qua-
dratmeterWohnfläche verteilen
sich auf den Eingangsbereich,
Essbereich und Küche, Wohn-
zimmer, Schlafzimmer, Badund
zwei Arbeitszimmer. Die Innen-
gestaltung verrät den Sinn der
Bewohner für Behaglichkeit, ihr
ausgeprägtes Stilempfindenund
die Liebe zum Detail.
Schmuckstück außen&innen
„Wir wollten den ursprüngli-
chen historischenCharakter un-
seres Hauses wieder herstellen“
erklärt Yvonne Simon und be-
schreibt kurz den vorgefunde-
nen Zustand: „Alle Decken wa-
ren abgehängt, die Balken ver-
deckt, die Fußböden mit PVC-
Belag bedeckt, eine typische
Wohnung aus den 60er Jahren.“
Maurermeister Winfried Kranz
aus Ediger-Eller setzte seinen
Sachverstand und seine Erfah-
rung bei der Handhabung alter
Handwerkstechniken ein. Er er-
setzte den Zementputz und ver-
putzte das freigelegte Fach-
werkgefache mit Lehm bzw.
Reinkalk. „Ohne Mühe und
Zeitaufwand geht es beim Er-
halten und Erneuern alter Bau-
substanz nicht, so Kranz, der
auchTür- undFensteröffnungen
in den dickenBruchsteinmauern
vergrößert hat. Der Meister, der
sich mit seinen sechs Mitarbei-
tern auf die Sanierung von alten
Fachwerkhäusern spe-
zialisiert hat, führt den 1961
von seinemVaterRichardKranz
gegründeten Betrieb in der 2.
Generation. Großen Anteil an
der fachgerechtenRestaurierung
hat Tischlermeister Paul Pellio.
Mit seinen vier Mitarbeitern,
darunter ein Lehrling, fertigte
er Türen und Fenster nach alten
Vorlagen bzw. restaurierteVor-
handenes. DieTüren, mit Antik-
glas versehen, sind eine Augen-
weide. Ebenso die Verbund-
fenster in denkmalgerechter
Ausführung. „Sprossenfenster
wirken nicht wie Schaufenster,
sondern vermitteln dem Raum
Geborgenheit und Wärme. In
ihrer historisch weißen Farbe
passen sie sich der Fassade an,
sehen anheimelnd aus und ver-
raten Gemütlichkeit dahinter“,
sagt er. Aus seiner Werkstatt
stammen auch die Treppen im
Haus. „Sie sind im unteren Teil
demontierbar, so dass bei et-
waigem Hochwasser der Scha-
den so gering wie möglich
bleibt“, erklärt der Meister. Aus
diesem Grund wurde auch der
Fußboden im Eingangsbereich
mit Schiefer gedeckt.
Herz und Engagement
„Bauen und Erhalten hat auch
mit Herz und Gefühl zu tun und
mit Aufmerksamkeit und Lie-
be. Man braucht sehr viel Enga-
gement dazu, um ein altes Haus
zu sanieren“, so Zimmermeis-
ter Klingenhäger aus Bruttig-
Fankel, der als Hand-
werker vorwiegend in derDenk-
malpflege arbeitet. Die Instand-
setzung historischer Holz-
tragwerke, insbesondere Fach-
werkbauten, Kerbschnitzerei
und Holzbildhauerei, gehören
zu seinen Aufgaben. 120 Ar-
beitsstunden hat er in das Haus
in Ediger-Eller eingebracht.
Alte, verfaulte Balken wurden
ausgebaut und durch ebenfalls
alte, in der Größe passende er-
setzt. „Bei der Wahl der Mate-
rialien (vorwiegend Eichen-
hölzer)muss darauf geachtet
werden, den Urzustand erkenn-
bar zu lassen, das heißt auch
Holznägel statt Eisennägel zu
verwenden“, erklärt er. Er baute
auch die Zwischendecke aus ge-
rissenem Eichenholz sowie die
neuen Fensterstöcke ein.
„Es ist etwas ganz Besonde-
res, in einem denkmalge-
schütztem Haus zu leben,
das bereits 1720 urkundlich
erwähnt ist. Die Atmosphä-
re ist unbeschreiblichschön.
Alte Häuser erzählen Ge-
schichten, regen zum Träu-
men an. Wer mag hier wie
gelebt haben“, so Yvonne
und Carlo Simon aus Edi-
ger-Eller. Das junge Ehe-
paar fühlt sich wohl in sei-
nem alten Haus, das nach
der Restaurierung ein
Schmuckstück im Ort ist.
Am Beispiel in Ediger-
Eller wird deutlich: Es lohnt
sich, alte Bausubstanz zu erhal-
ten und behutsammit ihr umzu-
gehen. Nicht nur den Eigentü-
mern gefällt ihr Haus. Ein sol-
ches Schmuckstückkanngetrost
auch an die nächste Generation
weitergegeben werden.
Fachwerkbau/
-sanierung und
Holzverbindungen
Ziel dieser Seminarreihe ist
es, Möglichkeiten bei der Si-
cherung, Sanierung undMo-
dernisierung von Fachwerk-
bauten aufzuzeigen, um den
Bauherrn hiermit bei der in-
dividuellen Suche nach ei-
nem tragfähigen Kompro-
miss zwischen Anforderun-
gen an den Bestand und der
gewünschtenNutzung zu un-
terstützen. Die Seminare fin-
den im HwK-Zentrum für
Restaurierung undDenkmal-
pflege in Herrstein statt.
Termin auf Anfrage,
weitere Informationen:
Tel.: 067785/ 9731-761
E-Mail:
Das Haus von Familie Si-
mon vor der Restaurierung.
Türen aus Antikglas
Geschmackvoll
dekorierte Diele
Eine Augenweide -
Sprossenfenster
Junges Wohnen im alten Gemäuer
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